Gleichberechtigte Care-Arbeit: Es gibt noch (viel) zu tun

Freude und intensive Planung 

Wenn Paare Eltern werden, ist die Freude über diesen Umstand in der Regel sehr groß. Viele Paare versuchen sich auf die bevorstehende Veränderung bestmöglich vorzubereiten und somit gehört der Besuch eines Geburtsvorbereitungskurses, das Lesen von Schwangerschaftsratgebern und die intensive Recherche bezüglich der richtigen Baby-Erstausstattung für viele werdende Eltern ganz selbstverständlich zu einer gründlichen Vorbereitung auf das Elternwerden dazu.

Neue Rollen und alte Muster

Sobald der Nachwuchs auf der Welt ist, stellen frischgebackene Eltern schnell fest, dass es das Leben, so wie sie es bisher kannten, nicht mehr gibt. Der veränderte Alltag, bedingt durch Schlafmangel, weniger Freizeit und der großen Verantwortung gegenüber einem kleinen Menschen stellt eine Herausforderung dar. Das Projekt Familie nimmt seinen Lauf und nicht selten nehmen damit Konflikte auf der Paarebene zu. Denn besonders einen Aspekt der neuen Lebenssituation nehmen die meisten Paare in ihrer Vorbereitung auf die Elternschaft zu wenig in den Blick: die Bedeutung unserer - längst überholt geglaubten - heteronormativen Rollenbilder. Doch selbst Paare, die der Meinung sind, eine gleichberechtigte Partnerschaft zu führen, bleiben nicht unbeeinflusst davon. Denn unsere Prägungen sind größtenteils unbewusst und wirken dadurch besonders machtvoll.

Mütter zwischen Mental Load und eigenen Bedürfnissen 

So ist es nicht verwunderlich, dass vor allem viele Mütter durch ihren Alltag hetzen und dabei stets an all das denken, was es für die Familie noch zu erledigen gilt. Windeln kaufen, Vorsorgeuntersuchung planen, Kinderkleidung in der passenden Größe besorgen usw. Die tägliche To-Do-Liste ist lang; die Mental-Load-Liste noch länger. Sich auf die Bedürfnisse eines Babys einzustellen, macht es erforderlich, die eigenen Bedürfnisse regelmäßig aufzuschieben und zurückzustellen. In Ruhe duschen, essen oder schlafen sind keine Selbstverständlichkeiten mehr. Viele Mütter gehen daher tagtäglich über ihre eigenen Grenzen. Zum einen, weil ihr Alltag durch ein kleines Wesen plötzlich größtenteils fremdbestimmt wird und zum anderen, weil sie versuchen, den gesellschaftlichen Erwartungen, bezogen auf ihre Rolle als Mutter und Frau, zu entsprechen.

Herausforderungen und Chancen der Väter 

Auch für Väter kann die Elternschaft zur Belastungsprobe werden, da sie sich oft in der Rolle des Ernährers sehen und den Druck verspüren, für das finanzielle Wohlergehen der Familie sorgen zu müssen. Es kann das Gefühl entstehen, dass die Mutter das Kind naturgemäß besser versorgen könne. Wenn das Kind voll gestillt wird, ist dieser Eindruck oft besonders stark. Infolgedessen ergibt sich in vielen Fällen automatisch eine Rollenaufteilung, die auch noch Bestand hat, wenn das Kind älter ist und nicht mehr gestillt wird. Dabei ist, abgesehen vom Stillen, jegliche Fürsorgearbeit für alle gleichermaßen erlernbar. Wenn Mütter nach der Geburt für längere Zeit den größeren Teil der Care-Arbeit übernommen haben, sind sie in manchen Dingen tatsächlich routinierter. Dies ist jedoch lediglich eine Folge der regelmäßigen Wiederholung. Bei entsprechender Übung können auch Väter diese Fähigkeiten problemlos erlernen.

Langfristige Folgen der Rollenverteilung 

Doch in den meisten Fällen widmen sich die Väter in den ersten Jahren nach der Geburt verstärkt der Erwerbsarbeit. Oftmals gehen sie sogar den nächsten Schritt in der Karriereplanung und somit der höheren Gehaltsklasse - ein weiterer Grund, warum es häufig die Mütter sind, die nach dem Wiedereinstieg in den Beruf weiterhin den größeren Teil der Care-Arbeit leisten und häufig in Teilzeit arbeiten. Für viele Familien ist diese Rollen- und Aufgabenverteilung, finanziell als auch alltagspraktisch, die naheliegendste Variante, ihr Familienleben zu organisieren. Allzu oft werden die Folgen dieser Aufteilung jedoch nicht ausführlich bedacht und können somit unbewusst zu finanzieller Abhängigkeit, ungleicher Auswirkung auf die Altersvorsorge, wiederkehrenden Konflikten und schwelender Unzufriedenheit führen.

Care-Arbeit als gesellschaftliche und private Aufgabe 

Wenn wir darüber nachdenken, welche Bedeutung Care-Arbeit tatsächlich für uns alle hat, dann müssen wir feststellen, dass wir alle auf sie angewiesen sind. Vor allem am Anfang, aber auch am Ende unseres Lebens, bei Krankheit und Behinderung brauchen wir in besonderem Maße die Pflege und Fürsorge von anderen Menschen. Das ist es, was uns in unserem Menschsein verbindet. Es ist dabei nicht relevant, welches Geschlecht wir haben; Care-Arbeit ist die Grundlage unser aller Existenz. Wer sie ausübt, verdient nicht nur Wertschätzung und Anerkennung, sondern auch finanzielle Entlohnung, denn Care-Arbeit ist Arbeit. Die Frage ist also, wie wollen wir mit unserer - zumindest zeitweisen - extremen Fürsorgebedürftigkeit in der Kindheit, im hohen Alter, bei Krankheit oder Behinderung umgehen? Es ist eine gesellschaftliche Frage, aber auch eine Frage, die wir uns im Privaten stellen dürfen. Vor allem, wenn wir Eltern werden und uns von nun an ein kleines Wesen rund um die Uhr braucht. Dann geht es darum, gemeinsam zu entscheiden, wie Erwerbsarbeit und Fürsorgearbeit in der neu gegründeten Familie fair aufgeteilt werden können und die Konsequenzen dieser Entscheidung im Blick zu haben. Eine gleichberechtigt gelebte Elternschaft ermöglicht eine Beziehung auf Augenhöhe, begünstigt ein zufriedenstellendes Familienleben und stellt somit eine wichtige Grundlage für ein glückliches Aufwachsen unserer Kinder dar.

Autorin: Katharina Hoyer

 

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