Schulstress und Leistungsdruck: Was Sie tun können, wenn Ihr Kind gestresst ist
Deadlines, Termine, To-do-Listen: Stress ist in unserer Gesellschaft in den verschiedensten Formen allgegenwärtig. Dabei kann sich dieser Stress sowohl positiv – zum Beispiel in Form von gesteigerter Leistungsfähigkeit durch einen Adrenalinschub – als auch negativ äußern. Negativer Stress ist besonders gefährlich, da er sich gesundheitsschädigend auswirken kann, insbesondere dann, wenn er chronisch wird. Doch nicht nur Erwachsene leiden unter Stress, auch Kinder können bereits in einem sehr jungen Alter unter Stress geraten. Die Schule kann dabei ein besonderer Stressfaktor sein. Woher Schulstress kommt und wie Sie Ihrem Kind helfen können, wenn es unter Schulstress leidet, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was passiert bei Stress im Körper?
Stress im eigentlichen Sinne bezeichnet zunächst einmal spezifische körperliche und psychische Reaktionen auf besonders herausfordernde Situationen. Der sogenannte Hypothalamus – ein Gehirnbereich, der elementare vegetative Funktionen wie Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme oder den Kreislauf und die Körpertemperatur reguliert – aktiviert in einer Stresssituation unser Nebennierenmark, welches wiederum die Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol ausschüttet. Durch diesen Hormonschub beschleunigen sich Atmung und Herzfrequenz, die Muskeln werden angespannt und unsere Sinne schärfen sich. Der Körper befindet sich nun in höchster Reaktionsbereitschaft. Diese körperliche Alarmbereitschaft war für unsere Vorfahren überlebenswichtig, um bei drohender Gefahr unmittelbar flüchten oder kämpfen zu können. Stressreaktionen gehören damit rein biologisch gesehen zur physiologischen Grundausstattung des Menschen. Sie können jedoch negative Auswirkungen haben, insbesondere dann, wenn diese stressbedingten Anpassungszustände chronisch werden.
Woher kommen Schulstress und Leistungsdruck?
Nicht nur Erwachsene leiden unter Stress und Leistungsdruck, auch Kinder bekommen Leistungsdruck nicht selten bereits in der Vorschule oder Grundschule zu spüren. Eine besondere Herausforderung stellt der Übergang zu einer weiterführenden Schule oder in die nächste Klassenstufe dar. Leistungsstress entsteht, wenn beispielsweise sehr viel Neues in einem kurzen Zeitraum gelernt werden muss oder Kinder den Unterrichtsstoff, der gefordert wird, nicht verstehen. Ein zu hohes Arbeitspensum, Angst vor Prüfungen, ineffektives Lernverhalten, Überreizung durch Lärm und Medienkonsum oder auch zu hohe Anforderungen des sozialen Umfelds können zu negativen Stressreaktionen führen, denn Kinder fühlen sich in diesen Situationen unter Druck gesetzt und überfordert. Angst vor schlechten Noten und vor der Reaktion ihrer Eltern, Lehrer*innen und Mitschüler*innen ist häufig die Folge. Eine zusätzliche Gefahrenquelle stellt sogenannter „sozialer Stress“ dar. Dieser entsteht durch Druck im sozialen Umfeld selbst, beispielsweise, wenn ein Kind von anderen Mitschülerinnen und Mitschülern zum Außenseiter gemacht und/oder gemobbt wird. Auch ein schlechtes Verhältnis zu Lehrpersonen kann zu Stressreaktionen führen, ebenso wie der Umstand, dass ein Geschwisterteil auf derselben Schule oder sogar in derselben Klasse ist und dadurch ein Konkurrenzverhalten entsteht.
Auswirkungen von Schulstress
Schulstress – insbesondere, wenn er dauerhaft ist – wirkt sich auf Körper, Psyche und Verhalten eines Kindes aus. Er kann zur Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit und damit auch der schulischen Leistung führen. Schlechter werdende Noten können demnach bereits ein Warnsignal für übermäßigen Stress sein. Kinder, die unter Schulstress leiden, wirken oft abgeschlagen, demotiviert und ziehen sich zurück. Dabei suchen sie die Schuld für ihre verschlechterten Leistungen und ihren Stresszustand oft bei sich selbst. Weitere häufige Auswirkungen sind: Selbstzweifel, ein vermindertes Selbstwertgefühl, Anspannung, Nervosität, Schamgefühl, Verlustangst, Angst vor Schule und Prüfungen, die sich bis hin zur Schulverweigerung entwickeln kann, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen und Albträume sowie generell aggressives oder depressives Verhalten.
Körperlich äußert sich Schulstress vor allem in Bauchweh oder Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schwindel, Herzrasen, Appetitlosigkeit und Essstörungen. Die häufigsten körperlichen Warnsignale für Stress bei Kindern sind Magen- und Kopfschmerzen, daher sollten Sie im Zweifelsfall genau beobachten, wann die Beschwerden auftreten und ob es dabei einen Zusammenhang zu Schulsituationen geben könnte. Eine zusätzliche Gefahrenquelle stellt sogenannter „sozialer Stress“ dar. Dieser entsteht durch Druck im sozialen Umfeld selbst, beispielsweise, wenn ein Kind von anderen Mitschülerinnen und Mitschülern zum Außenseiter gemacht und/oder gemobbt wird. Auch ein schlechtes Verhältnis zu Lehrpersonen kann zu Stressreaktionen führen, ebenso wie der Umstand, dass ein Geschwisterteil auf derselben Schule oder sogar in derselben Klasse ist und dadurch ein Konkurrenzverhalten entsteht.
Fördern statt fordern
Ein gewisser Stress vor beispielsweise Prüfungen oder Klassenarbeiten ist normal und lässt sich ebenso wie bei Erwachsenen kaum vermeiden. Äußert sich Stress jedoch permanent über einen längeren Zeitraum durch körperliche und psychische Beschwerden, sollte man dies nicht ignorieren. Zunächst einmal ist es wichtig, dass Sie mit Ihrem Kind in einen offenen Dialog gehen und es nach Problemen oder Ängsten fragen. Nehmen Sie Ihr Kind dabei ernst und spielen Sie die Situation nicht herunter. Besonders wichtig: Bleiben Sie ruhig und versuchen Sie nicht, Ihr Kind zu bestrafen, wenn die schulischen Leistungen ungenügend sind. Zeigen Sie stattdessen Verständnis und motivieren Sie Ihr Kind, um sein Selbstwertgefühl zu stärken.
Eltern sind – oft unbewusst – mit ihrem Verhalten selbst ein möglicher Auslöser für Stress und Leistungsdruck, daher sollten Sie immer versuchen, Ihr Kind zu fördern, statt es zu sehr zu fordern. Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass es in Ordnung ist, Schwächen zu haben und Fehler zu machen. Bieten Sie ein stabiles Umfeld, in dem das Kind sich mitteilen kann, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Überprüfen Sie dabei auch Ihre eigene Erwartungshaltung: Verlange ich meinem Kind zu viel ab? Setze ich es zu stark unter Druck mit Hausaufgaben oder beispielsweise dem Wunsch, dass es später auf das Gymnasium geht, einen gut bezahlten Job bekommt etc.? Auch, wenn Sie nur das Beste für Ihr Kind wollen, so hat doch jedes Kind sein eigenes Entwicklungs- und Lerntempo und muss individuell behandelt werden. Bitten Sie im Zweifelsfall auch Lehrerinnen und Lehrer um eine Einschätzung der Situation und erkundigen Sie sich nach dem derzeitigen Verhalten und Leistungsstand Ihres Kindes.
Um langfristig Schulstress zu vermeiden, sollte Ihr Kind die Möglichkeit haben, eigenständig zu lernen. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie man Lerneinheiten überschaubar und effizient strukturieren kann, und helfen Sie ihm dabei, eine selbstständige Lernroutine zu entwickeln. Wichtig dabei sind Regelmäßigkeit, Ordnung in den Schulmaterialien, feste Hausaufgabenzeiten und Pausen. Loben Sie Ihr Kind, wenn es etwas gut gemeistert hat, und wenn Sie mögen, können Sie auch kleine Belohnungen als Anreiz vereinbaren. Als zusätzliche Hilfe bieten sich zeitweise auch Nachhilfe oder Förderunterricht an.
Geregelte Zeiten im gesamten Tagesablauf sind grundsätzlich hilfreich für Ihr Kind, um Stress vorzubeugen, denn sie bieten Sicherheit und Orientierung. Lassen Sie dennoch genug Raum für Freizeit und Entspannung über den Tag und überladen Sie die freie Zeit Ihres Kindes nicht mit Hobbys oder anderen Tätigkeiten, denn körperliche und geistige Entspannung sind nötig, um Anspannung abzubauen. Auch eine gesunde Ernährung, Bewegung und sportliche Betätigung helfen zur Vorbeugung bei möglichen Stresssituationen.
Um die genaue Ursache für den Schulstress Ihres Kindes herauszufinden, können Sie beispielsweise ein Stresstagebuch nutzen, in das Ihr Kind einträgt, was es den Tag über gemacht hat und in welchen Situationen es sich unwohl oder gestresst gefühlt hat. Um den individuellen Auslöser zu finden, kann auch ein Kinderarzt oder Psychologe zurate gezogen werden, denn im Einzelfall kann Stress auch innerfamiliäre Gründe – beispielweise die Trennung der Eltern, ein Todesfall oder Konkurrenz mit Geschwistern – haben. Geht es um Mobbing und sozialen Stress, sollten Sie unbedingt auch den Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin sowie Vertrauenslehrer*innen mit einbeziehen.
Zurück in die Schule nach Corona
Schulstress an sich stellt bereits eine hohe Belastung dar, doch durch die Corona-Pandemie, die Anfang 2020 ihren Lauf nahm, waren insbesondere Schüler*innen lange Zeit einer besonderen Extremsituation ausgesetzt. Viele Schulen waren mehrere Monate geschlossen und auch nach den ersten Öffnungsschritten war man noch fernab des normalen Schulalltags. Die Kinder mussten zu Hause unterrichtet werden und hatten in dieser Zeit nur wenig soziale Kontakte außerhalb des Elternhauses. Auch mit der schrittweisen Lockerung bot die Form des Wechselunterrichts an Schulen noch keine klare Struktur und gestaltete den Schulalltag zum Teil chaotisch für Kinder, Eltern und Lehrkräfte. Mit der Rückkehr zu einem regulären Schulablauf mehren sich auch die Stressfaktoren während der Corona-Zeit: Lehrkräfte versuchen, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel verpassten Lernstoff nachzuholen, um dem Lehrplan noch gerecht zu werden. Das erhöht den Leistungsdruck auf die Schüler*innen noch mehr als zuvor. Hinzu kommt, dass die Kinder nach der langen Isolationszeit erst einmal wieder im Schul- Leben ankommen müssen. Sie haben wieder andere Aufstehzeiten, haben ihre Eltern nicht um sich herum und sind eventuell mit der erneuten Umgewöhnung überfordert. Die Lehrkräfte müssen nun in erster Linie dafür sorgen, den Kindern eine gute Rückkehr zu ermöglichen, durch entsprechende Kommunikation oder auch spielerisch – beispielsweise mit einem Pyjamatag, an dem die ganze Klasse im Pyjama zur Schule kommt – um die Situation aufzulockern und die Anspannung zu verringern.
Viele Kinder litten während der Corona-Zeit unter Perspektivlosigkeit und Motivationslosigkeit. Als Elternteil hilft es deshalb besonders, Ihrem Kind immer wieder Mut zu machen. Soweit möglich, können Sie Ihrem Kind zwischendurch bei den Hausaufgaben helfen und Struktur in die Woche bringen, indem Sie einen Wochenplan erstellen. Seien Sie verständnisvoll und bieten Sie immer ein offenes Ohr an bei Fragen oder Problemen mit dem neuen Tagesablauf, den Hausaufgaben oder anderen Themen.
Der Schulalltag hat sich durch die Pandemie stark verändert und wird auch zukünftig von weiteren Umschwüngen nicht verschont bleiben. Bereiten Sie Ihr Kind auf diese Veränderungen vor, indem Sie es beruhigen, aufklären und unterstützen. Versuchen Sie außerdem, über aktuelle Neuregelungen in Ihrem Kreis und Bundesland informiert zu bleiben.
von Esther Marake