Wenn Eltern sich trennen (und Kinder darunter leiden)

Wohnung, Finanzen, Wut und Schmerz – eine Trennung bringt viele Aspekte mit sich, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Oft entsteht dadurch ein Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung. Doch wenn zusätzlich Kinder involviert sind, kann das für Eltern zu einer ganz besonderen Herausforderung werden. Eine Trennung bedeutet nicht nur für die Eltern selbst, sondern auch für Kinder eine große Umstellung. Der gesamte Alltag verändert sich schlagartig: Mama und Papa wohnen plötzlich an zwei verschiedenen Orten, es gibt kein gemeinsames Mittagessen und keine gemeinsame Familienzeit mehr, Familienfeiern und Urlaube müssen ganz anders geplant werden. Während einer Trennung sind Paare sehr auf sich fokussiert, sie müssen ihr ganzes Leben umstellen, Zukunftspläne revidieren und Finanzen klären. Hinzu kommen Enttäuschung, Frustration und Selbstzweifel. Eltern sind in dieser Zeit voll und ganz mit sich selbst beschäftigt und vergessen dabei oft, dass sich das Kind ebenso mit der Situation auseinandersetzen muss.

Corona als Beziehungsprobe

Eine Paarbeziehung kann auch unter normalen Umständen schon durchaus konfliktreich sein, doch in Ausnahmesituationen wird sie noch einmal besonders auf die Probe gestellt. Während der Corona-Pandemie mussten viele Paare einen regelrechten Kraftakt leisten, um ihre Beziehung aufrechtzuerhalten. Viele Partnerschaften haben die extremen Bedingungen nur schwer verkraften können und stark darunter gelitten, das zeigen die um ein Vielfaches höheren Trennungs- und Scheidungsraten im Jahr 2020. Auch die Zahl der Anfragen bei Paartherapeuten und Anwälten ist nach dem ersten Lockdown deutlich gestiegen.

Die Gründe sind vielfältig, denn durch die Corona-Situation entstehen plötzlich ganz neue Konfliktthemen. Die Mehrbelastung im Alltag durch Homeschooling und Homeoffice, finanzielle Unsicherheit, Zukunftsängste, ein höheres Stresslevel und weniger räumliche Ausweichmöglichkeiten setzen viele Paare unter Druck und sind eine regelrechte Zerreißprobe für die Beziehung. Auch die Scheidungs- oder Trennungsphase selbst erschwert sich für die Beteiligten noch einmal zusätzlich durch Einschränkungen bei der Wohnungssuche, fehlende Ablenkungsmöglichkeiten, wenn das Kind nicht mehr in die Kita oder zur Schule gehen kann und zu Hause betreut werden muss, der Besuch beim Therapeuten oder Anwalt durch ein Telefonat ersetzt wird und wenn sich der Scheidungsprozess vor Gericht durch Corona-Auflagen verzögert.

Nur wegen des Kindes zusammenbleiben?

Vielen Paaren stellt sich vor der Trennung die Frage, ob sie um des Kindes willen zusammenbleiben sollten. Die Antwort ist nicht leicht, denn natürlich möchte man die Familie nicht zerreißen und dem Kind das Leid ersparen, das man selbst bewältigen muss. Kinder leiden generell mehr unter einer Trennung als die Eltern selbst, dennoch ist es besser, ihnen kein „Pseudo-Familienleben“ vorzuspielen, denn das klappt meistens mehr schlecht als recht. Kinder haben feine „Antennen“ und spüren, wenn etwas nicht stimmt, können sich darüber aber nicht nach außen hin ausdrücken. So kann es zu einer großen Belastung werden, wenn Eltern nicht mehr miteinander reden oder sich ständig streiten und dann aber nicht wieder versöhnen. Damit können Kinder nur schwer umgehen, weshalb Eltern nicht nur ihretwegen in einer unglücklichen Partnerschaft bleiben sollten.

Folgen einer Trennung für das Kind

Eine Scheidung oder Trennung der Eltern kann sich sehr unterschiedlich auf ein Kind auswirken. Das hängt nicht zuletzt von Alter, Geschwistern und der Art der Beziehung zu den Eltern ab. Für Einzelkinder ist eine Trennung oft schwerer zu verkraften, weil sie keinen „Leidensgefährten“ haben, und besonders jüngere Kinder können die Ursachen und die Bedeutung der Trennung noch nicht oder nur schwer begreifen.

Sehr oft suchen Kinder die Schuld für eine Trennung bei sich. Sie reagieren stark verunsichert, leiden unter Angst- und Schuldgefühlen und fallen gegebenenfalls in frühere Verhaltensweisen wie Aggression, zerstörerisches Verhalten und Einnässen zurück. Andere wiederum ziehen sich zurück, zeigen depressives Verhalten und Apathie. Weitere Folgen der Trennung: In der Kita oder der Schule möchte sich das Kind nicht vom Elternteil trennen, verhält sich in Gegenwart von anderen Eltern möglicherweise seltsam, entwickelt eine Abwehrhaltung und sucht verstärkt emotionale Zuwendung bei anderen Bezugspersonen.

Zieht ein Elternteil aus, ist das für Kinder besonders problematisch. Sie fühlen sich zunächst verlassen und verlieren eine Identifikationsfigur in ihrem Zuhause. Sie empfinden die Trennung als eine Art Liebesentzug und reagieren mit Schock, Schmerz, Angst, Verlustangst, Trauer und Rückzug. Ihr Vertrauen in Beziehungen wird dadurch erschüttert.

Das können Sie tun, damit Ihr Kind die Trennung besser verkraftet Leider geht eine Scheidung oder Trennung nie spurlos an einem Kind vorbei, doch es gibt einige Überlegungen, die helfen können, die Situation angenehmer oder erträglicher zu gestalten. Wie teilt man seinem Kind also am besten mit, dass sich alles ändern wird? Zunächst einmal ist es wichtig, Ihr Kind auf die Situation vorzubereiten und Ihr Anliegen konkret zu formulieren. Besonders jüngere Kinder kommen mit einem klaren Schritt generell besser zurecht, wenn die Entscheidung nicht unvorbereitet kommt. Lassen Sie Ihr Kind also keinesfalls im Unklaren, sondern schaffen Sie ein Gefühl der Sicherheit, indem Sie ruhig und in klaren, einfachen Worten sprechen. Verwenden Sie nicht zu viele Details, um Ihr Kind nicht zu überfordern. Optimalerweise überbringen Eltern die Botschaft gemeinsam, jedoch nur, wenn keine Gefahr besteht, sich während des Gesprächs zu streiten. In diesem Fall sollte nur ein Elternteil mit dem Kind reden.

Haben Sie die Trennung offiziell gemacht, ist es wichtig, dass Sie Geduld mit Ihrem Kind und seinen Reaktionen haben. Üben Sie keinen Druck aus, aber verlieren Sie Ihr Kind nicht aus den Augen und nehmen Sie bewusst wahr, wie es sich während der Trennungsphase verhält. Sobald ein Elternteil auszieht, versuchen Sie, Ihrem Kind den Abschied so leicht wie möglich machen, indem Sie genau erklären, wo der jeweilige Elternteil wohnen wird und in welchen Situationen er oder sie an seinem Leben teilhaben wird, beispielsweise durch Abholen von der Schule oder der Kita und Anwesenheit zum Beispiel bei Fußballspielen oder Aufführungen. Kinder machen sich Sorgen um ihre Eltern, deshalb ist es wichtig, sie trotz Trennung wissen zu lassen, dass es beiden Elternteilen gut geht und sie – wenn auch an verschiedenen Orten – in Sicherheit sind. Nach Möglichkeit sollten beide Elternteile weiterhin eine Rolle im Leben des Kindes spielen, denn zumindest bis zum Schulalter ist es für die Entwicklung wichtig, dass Mama und Papa beide als Ansprechpartner da sind.

Langfristig helfen regelmäßige Gespräche über die aktuelle Situation und weiterhin das Verhalten Ihres Kindes zu beobachten. Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, gemeinsam etwas Schönes zu unternehmen und die Beziehung zum Kind zu festigen. Laden Sie aber keinesfalls Ihre eigenen Gefühle und Probleme bei Ihrem Kind ab, denn es ist kein Ersatz für einen erwachsenen Gesprächspartner und auch kein Nachrichtenüberbringer, Informant oder Mitwisser. Egal, in welchem Verhältnis Sie zu Ihrem Ex-Partner stehen: Verlangen Sie nicht von Ihrem Kind, Partei zu ergreifen. Wenn möglich, versuchen Sie, Ihren Ex-Partner ausschließlich als Elternteil zu sehen und langfristig zu einer gesunden Kommunikation zurückzufinden.

Kommunikation ist auch für Ihr Kind das Schlüsselwort: Beziehen Sie es unbedingt in den Trennungsprozess mit ein und stellen Sie klar formulierte Fragen, zum Beispiel: „Möchtest du Mama / Papa nur am Wochenende sehen?“, oder: „Willst du deine Bastelsachen bei Mama / Papa lassen?“ Halten Sie bei gemeinsamen Gesprächen die Vorwürfe gegenüber Ihrem Ex-Partner möglichst klein und arbeiten Sie zielorientiert für Ihr Kind. Halten Sie Ihren persönlichen Kummer weitgehend von ihm fern und versuchen Sie, diesen erst einmal für sich selbst zu verarbeiten. So entsteht bei Ihrem Kind nicht der Druck, sich um Sie kümmern zu müssen. Bei kleineren Kindern ist es sinnvoll, dass Eltern nicht nur auf die Wünsche des Kindes reagieren, sondern gemeinsam sinnvolle Regelungen im Interesse des Kindes finden.

Und nach der Trennung?

Das größte Streitthema bei und nach einer Trennung oder Scheidung sind oft die Finanzen. Klären Sie diese möglichst bald fair und einvernehmlich. Sind beide Seiten an einer einvernehmlichen Lösung interessiert, kann auch eine Mediation helfen. Sollten Sie unter sich zu keiner Einigung kommen, können auch ein Anwalt oder das Gericht in Anspruch genommen werden. Seien Sie sich aber darüber im Klaren, dass dies mit zum Teil erheblich mehr Kosten und Zeit verbunden ist. Legen Sie mit Ihrem Ex-Partner einen Rahmen fest, was Ihr Kind bei welchem Elternteil darf und was nicht. Dabei sollten Sie sich absprechen, müssen aber nicht unbedingt dieselben Regeln festlegen. Kinder kommen durchaus mit unterschiedlichen Bedingungen zurecht. Wichtig ist nur: Das Kind sollte nicht Mittelpunkt eines Wettstreits um den besten Elternteil werden. Sie müssen nicht beweisen, dass Sie der „bessere“ Elternteil sind. Das verringert außerdem die Gefahr, dass Sie von Ihrem Kind gegeneinander ausgespielt werden.

Auch, wenn man Trennungen nicht pauschalisieren kann, finden die meisten Kinder nach etwa zwei bis drei Jahren ein neues Gleichgewicht. Grundsätzlich gilt, dass sie besser mit der Situation klarkommen, je besser es auch die Eltern tun.

Darf ich mir Hilfe holen?

Ja! Eine Trennung erfordert viel Kraft und es ist absolut keine Schwäche, sich Unterstützung von außen zu holen. Wer es psychisch und physisch nicht schafft, genug Energie für seine elterlichen Pflichten zu haben, kann Familie, Freunde und Nachbarn übergangsweise um Hilfe bitten. In vielen Fällen – und besonders in Anbetracht der aktuellen Corona-Situation – kann es sinnvoll sein, sich zusätzlich professionelle Hilfe von Psychologen, Therapeuten und Kinderbetreuungen zu suchen, um die Situation für alle Beteiligten so wenig belastend wie möglich zu gestalten.

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Text: Esther Marake

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