Wer kennt das nicht – unliebsame Verhaltensweisen oder Denkmuster, die man so gerne loswerden oder zumindest ändern möchte. Denn oftmals wissen wir – allem Anschein totaler Ratlosigkeit zum Trotz - insgeheim ganz genau, was uns unzufrieden sein lässt und was wir theoretisch für mehr Zufriedenheit tun müssten. Dennoch wagen wir den wichtigen ersten Schritt aus unserer vermeintlichen Komfortzone oft nicht. Warum? Weil wir uns einreden, dass es doch auch so geht und uns der Mut fehlt, für unsere Bedürfnisse einzustehen und wir dazu neigen, diese herunterzuspielen.
Doch das hat nachhaltige Folgen. Wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse dauerhaft unterdrücken und auf unsere Gedanken nicht die passende Handlung folgt, dann löst dies Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, Frust, Hilf- und Ratlosigkeit aus. Es entstehen Verhaltens- oder Vermeidungsmuster, welche sich manifestieren können. Der Zugang zu dem, was wir eigentlich wollen, wird dadurch mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt und weniger zugänglich.
- Ich würde ja gern, aber …
- Ich bin doch viel zu …
- Ich kann das nicht, weil so bin ich nicht
Kommen Ihnen diese Aussagen bekannt vor?
Für den Moment sind diese „Ausreden“ sicherlich schlüssig und zufriedenstellend. Aber nur, solange bis Sie durch vermeintliche Persönlichkeitseigenschaften von der nächsten Chance abgehalten werden - von einem offenen, ehrlichen Gespräch, vom Für-sich-einstehen, von einem „Mut-ausbruch“.
Die gute Nachricht: Das lässt sich ändern, denn jeder kann zum guten Selbstmanager werden. Oftmals werden Denkmuster gleichgesetzt mit Persönlichkeitseigenschaften, doch gibt es hier einen wichtigen Unterschied: während die Persönlichkeitseigenschaften stabil sind und wir diese auch gar nicht ändern wollen, lassen sich die Denkmuster eines guten Selbstmanagers erlernen.
Was es heißt, ein guter Selbstmanager zu sein:
Was es mit Sicherheit NICHT bedeutet: immer 120 % geben zu müssen, am Leistungsmaximum zu arbeiten und sich keine Fehler zu erlauben oder keine Angst mehr haben zu dürfen. Vielmehr heißt es, selbstbewusster aufzutreten, destruktive Sichtweisen wahrzunehmen und einen anderen Umgang damit zu finden. Als guter Selbstmanager sind Sie in der Lage, die eigenen widersprüchlichen Gedanken und Gefühle mit Distanz zu betrachten. Sie stellen lang geglaubte „So bin ich eben“ Sichtweisen in Frage und sind bereit, diszipliniert Ihre Verhaltensweisen zu reflektieren.
Die Gedanken verstehen – der Autopilot
Man kann zwischen zwei mentalen Zuständen unterscheiden, die wesentlichen Anteil daran haben, wie klar wir in unseren Gedanken und damit auch in unserem Verhalten sind. Einmal gibt es den unterbewussten, automatisierten Zustand, welcher uns den Alltag einerseits um einiges erleichtert, aber andererseits auch ausschlaggebend für die Rat- und Antriebslosigkeit ist. Die Prozesse in diesem Modus - wir nennen ihn den Autopilotmodus - benötigen nicht unsere bewusste Aufmerksamkeit.
Schätzungsweise treffen wir um die 20.000 Entscheidungen pro Tag, müssten wir alle davon bewusst treffen, wäre dies ein Vollzeitjob und wir kämen aus dem Entscheiden gar nicht mehr heraus. Weniger komplexe Themen erledigt unser Gehirn deshalb im Hintergrund und erspart uns somit eine Menge zusätzlicher mentaler Konflikte.
Da das Gehirn jede Art von Unklarheit und Widersprüchen abneigt, gibt es in diesem Autopiloten zwei Mechanismen. Gewohnheit und Rationalisierung lassen die unterbewusst getroffenen Entscheidungen für uns plausibel erscheinen.
Gewohnheit
Sie sollten wissen: unser Gehirn strebt prinzipiell eher nach Unglückvermeidung, anstatt die Strategie nach einem glücklichen, sinnerfüllten Leben zu suchen. Warum? Weil alles Ungewohnte und Fremde erst einmal Gefahr bedeutet und wir dieser aktiv gegenübertreten müssen, um aus der Komfortzone herauszukommen. Manchen Menschen fällt es leichter, Neues als Herausforderung zu sehen und Unsicherheiten nicht groß werden zu lassen, bei vielen dominiert hingegen die Angst und somit die stärkere Orientierung an Gewohntem.
Folgen auf unsere Taten oder eher das Nichts-Tun keine negativen Konsequenzen, so wird dies als angenehm interpretiert und beim nächsten Mal, wenn der Gedanke aufkommt, dieser mit großer Wahrscheinlichkeit automatisch ähnlich verarbeitet. Zumindest dann, wenn wir uns nicht aktiv mit dem Problem auseinandersetzen und somit verhindern, dass sich daraus ein Verhalten manifestiert. Eine Gewohnheit lenkt unser Handeln und es erfordert Übung, diese wieder abzulegen und den Zugang zu dem eigenen Willen wiederzufinden.
Rationalisieren
Ein weiterer Automatismus ist das Rationalisieren. Unser Gehirn neigt dazu, für alles was geschieht, eine logische Erklärung zu finden und somit auch für all unsere Entscheidungen. Im Autopilotmodus werden die Entscheidungen unterbewusst getroffen, sodass wir unser Verhalten meist nicht hinterfragen. Falls aber doch, so hat unser Gehirn immer eine rationale Begründung parat, welche unsere Handlungen plausibel erscheinen lässt. Deshalb wirkt unser Verhalten, zumindest in der Retroperspektive, immer schlüssig und gut durchdacht.
Problematisch an diesem Rationalisieren ist allerdings, dass Gefühle wie Angst nicht rational sind und deshalb rückblickend anscheinend nie Einfluss auf unser Handeln hatten. Das heißt, unser Gehirn bildet ein Konstrukt, welches in sich schlüssig erscheint, aber nicht immer die wahren Beweggründe offenbart. Somit neigen wir dazu, uns selbst zu betrügen und finden Rechtfertigungen dafür, warum wicht außerhalb unserer Komfortzone handeln oder uns unseren Ängsten stellen.
Um etwas verändern zu können, müssen wir deshalb aktiv werden und uns des zweiten mentalen Modus bewusst werden:
Der Käpt’n Modus
Der Käpt’n Modus - In ihm sind wir fähig, unsere Gedanken und Handeln ganz klar mit nötiger Distanz zu betrachten. Wir wissen, dass es nicht nur gut oder schlecht und hilflos gibt, sondern können Situationen ohne Schwarz-weiß-Denken einschätzen. Wir sind in der Lage, uns und unsere Stärken und Schwächen zu sehen und diese auch zu kommunizieren. Das heißt, wir sind aktiv am Steuer unseres Selbst und treten dadurch auch automatisch selbstbewusster auf. Momente im Käpt’n Modus haben Sie mit Sicherheit auch schon erlebt und waren hinterher vielleicht von sich selbst überrascht, wozu Sie in der Lage sind, wenn sie den nötigen Mut aufbringen können.
Im Käpt’n Modus sind wir Herr unserer Selbst und nicht die Ängste über uns.
Warum sollten wir dieses zwei Zustände kennen?
Unser Ziel ist es, im richtigen Zeitpunkt den passenden Modus bewusst hervorrufen zu können. Dafür müssen wir uns zunächst beiden Zuständen bewusst sein.
Größere Konflikte oder Herausforderungen werden von unserem Gehirn nicht gleich automatisch erledigt, sondern erfordern unsere aktive Auseinandersetzung. Deshalb müssen wir zum passenden Zeitpunkt eingreifen, nämlich dann, bevor sich der Autopilot einschaltet und wir zum gewohnten Vermeidungsverhalten oder „Das würde ich gern, aber“-Verhalten tendieren. Mit etwas Übung sind wir in der Lage, aktiv zu steuern, in welchem Modus wir uns befinden und uns nicht vom schnellen, übereiligen Autopiloten einholen zu lassen. Stattdessen lernen wir, für das einzustehen, was wir wirklich wollen und was uns langfristig guttut.
Versuchen Sie doch mal Ihr Verhalten zu reflektieren und festzustellen, in welchen Momenten sie im Käpt’n Modus sind und wann Sie in den Autopiloten rutschen.
Warum klammern wir uns an Denkmuster, von welchen wir doch eigentlich wissen, dass sie unangemessen sind?
Wir lassen uns von unserem Autopiloten dirigieren für Aufgaben, für die er einfach nicht kompetent ist. Der Autopilot ist schnell, hat immer eine Lösung parat und ist deshalb unfreiwillig auch so dominant in unserem Denken. Zum Beispiel, wenn der Chef uns um einen Gefallen bittet, wir zusagen, obwohl wir eigentlich ganz genau wissen, dass uns das zusätzlichen Stress verursacht und uns hinterher über unseren Impuls „ja“ zu sagen ärgern. Um aus dieser „Das bin ich nicht“ - Einstellung herauszufinden, müssen wir in den Käpt’n Modus schalten und die Entscheidungen im Autopiloten zu hinterfragen.
Atmen Sie durch, setzten Sie sich aufrecht hin, und lassen Sie sich kurz Zeit, bevor Sie das nächste Mal eine wichtige Entscheidung treffen.
Mentales Selbstmanagement scheint schwierig, weil…
… wir verzerrte Selbstbilder pflegen, die uns nicht gerecht werden
… wir zwischen zwei mentalen Zuständen hin und her taumeln
… wir, obwohl wir das Zeug zum differenzierten Denken haben, es zu selten nutzen. Vor allem, wenn wir unter Stress geraten
Wenn Sie also an diesen drei Punkten arbeiten, steht Ihrem Selbstmanagement nichts mehr im Wege – nicht einmal Sie selbst.
Quelle:
Tom Diesbrock (2016). Hören Sie auf, sich im Weg zu stehen: Mentales Selbstmanagement in Alltag und Job. Verlag Herder.
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