Corona & Mediennutzung bei Kindern

Wie Corona die Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen beeinflusst – und was Sie tun können

Hausaufgaben am Tablet, Spielekonsole statt Sport und soziale Kontakte per Videochat – die Corona-Krise hat in vielen Lebensbereichen für eine digitale Verschiebung gesorgt und unser analoges Leben gründlich auf den Kopf gestellt. Das macht sich besonders bei Jüngeren bemerkbar: Seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 hat sich die Mediennutzungsdauer von Kindern und Jugendlichen fast schon besorgniserregend erhöht, das zeigen unter anderem Studien des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest und der Krankenkasse DAK Gesundheit.

Mediennutzung steigt um ein Vielfaches an

Homeoffice, digitale Konferenzen und Homeschooling sind zu einem festen Bestandteil unseres neuen Corona-Alltags geworden. Dabei ist es wenig überraschend, dass die arbeitsorientierte Mediennutzung seit Anfang letzten Jahres entsprechend stark angestiegen ist. Doch auch abseits des Lern- und Arbeitsumfelds lassen sich besonders bei Kindern und Jugendlichen starke Veränderungen des Konsumverhaltens feststellen: Seit dem ersten Lockdown im April 2020 hat sich die Mediennutzung bei 10- bis 17-Jährigen um mehr als 75 Prozent erhöht. Unter der Woche nutzen Kinder und Jugendliche ihre Bildschirmgeräte rund fünfeinhalb Stunden pro Tag, am Wochenende sind es sogar weit über sieben Stunden – Homeschooling und Hausaufgaben nicht mit eingerechnet. Einen Großteil der freien Zeit verbringen sie mit Streaming-Diensten wie Netflix und Amazon Prime, sozialen Netzwerken und Messaging-Diensten, Onlinespielen und Fernsehen. Auch zum Lernen nutzen Kinder und Jugendliche fast ausschließlich Smartphones und Laptops, Online-Tutorials und Chatprogramme.

Wie viel ist zu viel

Durch Corona-Einschränkungen wie Online-Unterricht, die ein „normales“ Leben momentan kaum möglich machen, stellt sich zwangsläufig ein verändertes Nutzungsverhalten ein. Doch ein übermäßiger Konsum und der fehlende analoge Ausgleich wirkt sich vor allem bei Jüngeren negativ auf Körper und Psyche aus: Konzentrationsschwierigkeiten, Lustlosigkeit und Antriebslosigkeit, soziale Isolation, Bewegungsmangel, Unzufriedenheit oder Angespanntheit können die Folgen sein. Und je länger die Ausnahmesituation andauert, desto höher ist auch die Gefahr einer medienbezogenen Sucht. Das belastet nicht nur Kinder, sondern auch Eltern gleichermaßen.

Was Sie tun können

Trotz der derzeitigen Situation gibt es einige Tipps und Tricks, wie Sie den Medienkonsum Ihrer Kinder während der Corona-Zeit zumindest in ihrer Freizeit regulieren und im Auge behalten können. Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst.

1. Gemeinsame Regeln finden und Grenzen setzen
Legen Sie zunächst einen zeitlichen Rahmen für die Freizeit-Mediennutzung Ihrer Kinder fest.
Empfohlen wird:
     • maximal 45 Minuten täglich bei Kindern im Alter von sieben bis zehn Jahren, die Jüngeren maximal 5 bis 20 Minuten unter Aufsicht
     • maximal 60 Minuten täglich für 11- bis 13-Jährige
     • maximal 90 Minuten täglich ab 14 Jahren

Für diesen Rahmen können Sie nun Regeln festlegen: Was darf zu welchen Zeiten konsumiert werden und wie lange? Einfache Regeln wie „kein Handy beim Abendessen“ oder „Fernsehen erst nach den Hausaufgaben“, die Sie schon vorher hatten, sollten auch während der Corona-Krise bestehen bleiben, um Kontinuität zu wahren. Wer möchte, kann diese Regeln sogar in einem „digitalen Knigge“ oder einem schriftlichen Vertrag festhalten.
Auch „Mediengutscheine“ – Gutscheine für eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Gerät – sind eine schöne, spielerische Art, Ihrem Kind zu ermöglichen, sich die Zeit selbst einzuteilen. Beziehen Sie Ihr Kind unbedingt in diesen Erarbeitungsprozess mit ein und versuchen Sie, gedanklich flexibel zu bleiben. Regeln können an den Tagesablauf angepasst werden, wenn sie noch nicht gut funktionieren, und auch Ausnahmeregelungen sind in Ordnung, wenn sie im Rahmen bleiben. Beim Thema Sicherheit im Internet sollten Sie jedoch keine Kompromisse eingehen. Kümmern Sie sich für jedes der Geräte und Programme Ihrer Kinder um entsprechende Ad-Blocker, einen guten Virenschutz, eventuelle Sperrlisten und Gewalt-Filter.

2. Je älter, desto besser
Grundsätzlich sollten Sie nicht zu früh eigene Geräte für Ihre Kinder anschaffen. Es wird empfohlen, einen Computer erst ab dem zwölften Lebensjahr und ein Smartphone frühestens ab der fünften Klasse zu nutzen.

3. Bleiben Sie im Austausch
Kommunikation ist das A und O. Gehen Sie in das offene Gespräch und lassen Sie sich regelmäßig Updates von Ihren Kindern geben. Informieren Sie sich über alle Spiele, Apps und Social-Media-Kanäle, die genutzt werden, um ein Verständnis für die Mediennutzung Ihrer Kinder entwickeln. Dabei kann beispielsweise ein Medientagebuch helfen, in das Sie aufschreiben, wann welches Gerät für welche Zwecke genutzt wird.

4. Schaffen Sie eine gemeinsame Wissensbasis
Kinder haben ein anderes Verständnis für ihre Umwelt als Erwachsene. Deshalb ist es wichtig, ihnen zu erklären, was es mit Ihren Regeln und Grenzen auf sich hat und warum sie sinnvoll und wichtig sind. So, wie Sie Ihr Kind erst allein auf den Schulweg oder auf den Spielplatz lassen, wenn es den Weg und die Gefahren kennt, sollte Ihr Kind auch Medien und digitale Inhalte erst dann nutzen dürfen, wenn es ausreichend aufgeklärt wurde. Je nach Alter ist es sinnvoll, auch über Dinge wie Falschidentitäten, Datenschutz, Gewaltverherrlichung, „Fake News“ und „Hate-Speech“ zu sprechen.

5. Beziehen Sie sich selbst mit ein
Denken Sie daran: Sie sind der Erwachsene, Sie sind das Vorbild und leben Ihren Kindern vor. Umso wichtiger ist ein bewusster Umgang mit Medien von Ihrer Seite aus. Vereinbaren Sie bewusste Mediennutzungszeiten auch für sich selbst und überlegen Sie, welche Punkte Ihres Tagesablaufs sich möglicherweise mit dem Ihres Kindes gemeinsam gestalten lassen. Sie können zum Beispiel die Regel „kein Handy am Esstisch“ auf alle Personen Ihres Haushalts ausweiten.

6. Planen Sie Pausen ein
Kinder brauchen analoge Pausen, um Medienerlebnisse verarbeiten zu können. Deshalb sollte beispielsweise zwischen Hausaufgaben am Bildschirm oder Videokonferenzen und der Freizeitnutzung jeweils eine längere Pause liegen. Genau wie Erwachsene sollten auch Kinder im Idealfall nicht länger als 60 bis 90 Minuten – Homeschooling mit eingerechnet – am Stück vor dem Bildschirm sitzen. Natürlich muss man die Vorgaben für den Online-Unterricht der Schule beachten, da jede Schule Pausenzeiten anders handhabt. Da Kinder oft nicht das Bedürfnis verspüren, Pausen zu machen, muss man sie manchmal liebevoll dazu „zwingen“. Schon eine zehnminütige, gemeinsame Auszeit an der frischen Luft kann Wunder wirken. Zwischendurch können Sie auch einzelne komplett nutzungsfreie Tage für die ganze Familie einplanen.

7. Bieten Sie analoge Alternativen an
Wir leben in einer Zeit der digitalen Reizüberflutung. Umso wichtiger ist es, Kindern analoge Alternativen aufzuzeigen. Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche oft aus Langeweile und aufgrund fehlender Alternativen übermäßig viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen. Zeigen Sie Ihren Kindern, dass auch es auch eine Welt abseits der Medien zu entdecken gibt. Wie wäre es mit basteln, kochen, einem Karten- oder Brettspiel, einem Puzzle oder sportlichen Aktivitäten an der frischen Luft? Sie können gleich doppelt davon profitieren, denn analoge Pausen können nicht nur Ihren Kindern, sondern auch Ihnen selbst guttun.

8. Warnsignale ernst nehmen
Zu guter Letzt, aber nicht weniger wichtig: Wenn Sie häufiger Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Rückzug oder Konzentrationsschwäche bei Ihrem Kind wahrnehmen, sollten diese Warnsignale unbedingt ernst genommen werden, denn digitale Reizüberflutung birgt oft das Risiko einer medienbezogenen Suchterkrankung. Bei Symptomen wie zunehmendem Kontrollverlust über den Medienkonsum, Priorisierung der Medien und einer Fortsetzung dieses Verhaltens trotz negativer Konsequenzen sollten Sie nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

von Esther Marake

 

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