Drei Kinder und mehr? Seit drei Jahren fördert und vertritt der KRFD kinderreiche Familien in Deutschland

Gastbeitrag von: Edna Wollenweber www.kinderreichefamilien.de

Wenn bei Elisabeth Müller in Mönchengladbach das weiße Telefon klingelt, ruft in aller Regel ein Vater oder eine Mutter mit mehr als drei Kindern an; denn Elisabeth Müller ist Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien in Deutschland (KRFD); und kinderreich ist man hierzulande ab dem dritten Kind.

"Familien nutzen unser Beratungsangebot, weil sie in Nöten sind; nicht wissen, wie sie mit 50 Euro die nächsten zwei Wochen über die Runden kommen sollen; weil sie günstig ein größeres Auto, eine Wohnung oder gar Arbeit suchen,“ so Müller. Tatsächlich geht es bei jedem zweiten Anruf um das Thema Wohnen – ein Grund dafür, warum der KRFD jetzt einen eigenen Arbeitskreis gegründet hat mit dem ehrgeizigen Ziel, die Wohnsituation kinderreicher Familien zu verbessern.

Würde man Elisabeth Müller zwei Tage beim Telefonieren belauschen, könnte leicht der Eindruck entstehen, die kinderreiche Familie in Deutschland sei vor allem eines: in Bedrängnis!

Der Eindruck täuscht, zum Glück. Zwar sind kinderreiche Familien einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt und häufiger auf Transferleistungen angewiesen als Familien mit einem oder mit zwei Kindern. Aber 83 Prozent der kinderreichen Familien leben von eigener, meist doppelter Erwerbstätigkeit. Überdies erweisen sich gerade die kindereichen Familien als besonders stabil: Fast 90 Prozent der Eltern leben in fester, meist ehelicher, Beziehung und erziehen ihre Kinder gemeinsam.

Ein weiteres Vorurteil, mit dem Müller gerne aufräumt: „Kinderreiche Familien sind keine Minderheit!“ Zwar sei es richtig, dass nur noch jede siebte Familie mehr als zwei Kinder habe. Aber jedes vierte Kind wachse als Teil einer kinderreichen Familie auf. „Das heißt, es gibt in Deutschland eben so viele Mehrgeschwister– wie Einzelkinder!“

Diese 1,2 Millionen kinderreichen Familien gegenüber Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik zu vertreten und aktiv zu fördern – dazu haben sich vor drei Jahren zehn Familien zusammengeschlossen. Inzwischen zählt der Verband bundesweit ca. 1.800 Mitgliederfamilien mit durchschnittlich vier Kindern. Hinzukommen ca. 100
Fördermitglieder – Großeltern oder Eltern mit „nur“ einem oder zwei Kindern. Die Mitgliedschaft ist in beiden Fällen kostenlos, ein freiwilliger Jahresbeitrag erbeten.

„Unser zentrales Anliegen ist es, die Rahmenbedingungen für Kinderreiche in Deutschland zu optimieren“, so Müller. Entsprechend breit gefächert sind die nach außen gerichteten Aktivitäten des KRFD. „Wir reden mit Politikern, mit Unternehmern und Journalisten. Wir sind in der Zeitung, auf Rednerpodien, im Fernsehen, und natürlich im Netz.“

Viele Kinder zu haben oder sich viele zu wünschen, ist für die sechsfache Mutter und promovierte Apothekerin kein exotischer Lebensentwurf, sondern ganz einfach normal; eine Bereicherung, keine Belastung. Das Potential kinderreicher Familien werde indessen häufig unterschätzt und Kinderreiche bei politischen Weichenstellungen oft übergangen. „Absurd“, meint Müller, „zumal in einer Gesellschaft, die sich wegen des demographischen Wandels tiefgreifenden Veränderungen gegenüber sieht.“ Mit führenden Sozialwissenschaftlern und Staatsrechtlern spricht sich der KRFD daher für eine grundlegende Steuer- und Sozialreform aus, die Kindererziehung als Solidarleistung angemessen berücksichtigt.

Seinen Mitgliedern bietet der KRFD – über Beratungsangebote hinaus – zahlreiche Möglichkeiten zur Vernetzung, sowie exklusiv die Teilnahme am Vergünstigungsprogramm
familie3plus
an. Die Angebote von familie3plus werden in Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern entwickelt und kontinuierlich erweitert. Zu den Wirtschaftspartnern zählen u.a. Automobil- und Haushaltsgerätehersteller, Reiseanbieter und Versicherer sowie Dienstleister in den Bereichen Bildung und Gesundheit.

Geleistet wird all’ dies überwiegend von den aktiven Mitgliedern selbst: Schätzungsweise 37.000 Stunden ehrenamtlichen Engagements wurden in den zwölf Landesorganisationen sowie in der Bundesorganisation im letzten Jahr aufgebracht.

Für das laufende Jahr hat sich der KRFD hohe Ziele gesteckt: Im Herbst findet in Frankfurt ein Familienkongress statt, der die Medienkompetenz kinderreicher Familien erweitern soll. Außerdem soll die Sozial- und Schulberatung um eine Ehe- und Familienberatung sowie eine eigene Beratung für Familien mit Migrationshintergrund ergänzt werden. Fachkompetente Freiwillige seien bereits gefunden. „Der Bedarf ist da“, kommentiert Müller, „auch wenn die allermeisten Familien gut allein klar kommen oder sich untereinander – nicht zuletzt dank unserer Vernetzungsangebote – mit Rat und Tat zur Seite stehen können.“ Und wie zur Bestätigung klingelt das weiße Telefon.

Weitere Artikel

Image

20.000 Entscheidungen pro Tag – Ein täglicher Marathon für unser Gehirn

Es ist eine unglaubliche Zahl, die da oft genannt wird: 20.000 Entscheidungen soll jeder Mensch pro Tag treffen. Das klingt nach einem Hirn-Marathon, bei dem es keine Pause gibt, nur dass wir hier nicht um Medaillen laufen, sondern durchs Leben stolpern - manchmal mehr, manchmal weniger elegant.  Aber wie schaffen wir das? Das ist doch eigentlich kaum machbar!

Image

Gleichberechtigte Care-Arbeit: Es gibt noch (viel) zu tun

Wenn Paare Eltern werden, beginnt ein neues Kapitel voller Freude und Herausforderungen. Der Alltag verändert sich drastisch. Die Balance zwischen Erwerbsarbeit und Fürsorgearbeit stellt viele Paare vor große Aufgaben und alte Rollenbilder werden oft unbewusst wiederbelebt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit diesen bietet die Chance für ein gleichberechtigteres, harmonischeres Familienleben.

Image

Regenbogenfamilien: Zwischen Vielfalt und Hürden

Das klassische Familienbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Neben traditionellen Familienmodellen rücken auch Regenbogenfamilien zunehmend in den Fokus. Diese Familienform, bestehend aus gleichgeschlechtlichen Eltern und ihren Kindern, ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Trotz ihrer wachsenden Akzeptanz stehen Regenbogenfamilien im Alltag vor besonderen Herausforderungen und Hürden.