20.000 Entscheidungen pro Tag – Ein täglicher Marathon für unser Gehirn

20.000 Entscheidungen pro Tag - Ein täglicher Marathon für unser Gehirn 

Es ist eine unglaubliche Zahl, die da oft genannt wird: 20.000 Entscheidungen soll jeder Mensch pro Tag treffen. Das klingt nach einem Hirn-Marathon, bei dem es keine Pause gibt, nur dass wir hier nicht um Medaillen laufen, sondern durchs Leben stolpern - manchmal mehr, manchmal weniger elegant.

Wenn man darüber nachdenkt, ist das eigentlich wahnsinnig viel. Selbst wenn man die einfachen Entscheidungen wie "Snooze oder aufstehen?" oder "Kaffee oder Tee?" mitzählt, bleibt noch eine schwindelerregende Zahl übrig, die unseren Alltag scheinbar zu einem endlosen Spielfeld der Möglichkeiten macht. Aber wie schaffen wir das? Das ist doch eigentlich kaum machbar!

Acht Stunden Schlaf - Die rettende Insel

Zum Glück schlafen wir ja auch. Das bedeutet, dass uns diese 20.000 Entscheidungen nicht in 24 Stunden, sondern in etwa 16 Stunden beschäftigen. 8 Stunden ruhen wir - na ja, zumindest hoffen wir das. Manchmal denkt man ja, dass man sogar im Schlaf noch Entscheidungen treffen muss, wie ob man jetzt die Decke wegstrampeln oder lieber kuscheln soll. Aber bleiben wir optimistisch und sagen: 8 Stunden Schlaf, 16 Stunden Entscheidungsmarathon.

Wenn wir das mal herunterbrechen, heißt das: Alle 3 Sekunden steht die nächste Entscheidung an. Überlegen Sie mal! Alle 3 Sekunden eine neue Wahl treffen, als wäre man der Star eines Dauerkonzerts, bei dem ständig der nächste Song angestimmt wird. Das klingt doch verrückt, oder?

Das Gehirn - ein Überlebenskünstler im Ausnahmezustand 

Nehmen wir einmal an, dass wir wirklich jede dieser Entscheidungen bewusst treffen müssten. Das wäre ja so, als würde unser Gehirn den ganzen Tag auf Hochtouren laufen - wie ein Hochleistungscomputer, der ununterbrochen arbeitet und dabei immer mehr Energie frisst. Das wäre, als würden Sie versuchen, einen Marathon mit Sprinttempo zu laufen. Spätestens nach der Hälfte wären Sie fix und fertig. Und genau das würde auch mit unserem Gehirn passieren: Es wäre im Ausnahmezustand und wir wären total überlastet. Keine Chance, das durchzuhalten!

Hier kommt die gute Nachricht: Unser Gehirn ist ein echter Überlebenskünstler. Es weiß genau, wann es die Notbremse ziehen muss und wie es sich selbst vor dem Kollaps schützt. Die Lösung? Automatisierung und Bauchgefühl!

Der Bauch übernimmt

Es gibt Tage, da fühlt man sich, als hätte man einen zweiten Chef: den Bauch. Und dabei rede ich nicht von dem kleinen Extra-Kilo, das nach der letzten Snack-Attacke dazugekommen ist. Nein, hier geht es um das berühmte Bauchgefühl. Denn dieses Bauchgefühl ist es, das uns einen Großteil der täglichen Entscheidungen abnimmt, während der Kopf sich eine wohlverdiente Pause gönnt.

Unser Gehirn hat im Laufe der Evolution ein geniales System entwickelt, das auf Effizienz getrimmt ist. Bewusste Entscheidungen - die wirklich großen, wichtigen Fragen des Lebens - erfordern immer die Mitarbeit unserer Großhirnrinde. Das ist sozusagen der Vorstand im Kopf, der bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hat. Aber seien wir mal ehrlich: Wie oft am Tag stehen wir wirklich vor lebensverändernden Entscheidungen? Meistens geht es doch eher darum, ob wir heute die rote oder die blaue Krawatte anziehen oder ob wir den Müll jetzt rausbringen oder später - also eher Kleinkram.

Automatisierung - Der Energieverbraucher im Standby-Modus

Hier kommt die Automatisierung ins Spiel. Unser Gehirn ist ziemlich clever darin, Routinen zu entwickeln. Je mehr wir Dinge automatisieren, desto weniger müssen wir darüber nachdenken. Genau wie ein gut geölter Motor. Das spart Energie - und Nerven! Wenn wir immer wieder die gleichen Entscheidungen treffen, lagert unser Gehirn diese Prozesse in tiefere, energieeffizientere Bereiche aus. Die Basalganglien, tief im Inneren des Gehirns, übernehmen. Diese Strukturen sind wie der Autopilot eines Flugzeugs - sie halten den Laden am Laufen, während der Pilot, also die Großhirnrinde, sich einen Kaffee holt.

Die Basalganglien arbeiten völlig unbewusst, übernehmen aber über 90 % unserer täglichen Entscheidungen. Ja, richtig gehört: Über 90 %! Das ist so, als würde Ihr Bauchgefühl einen eigenen Lebenslauf schreiben können: "Erfahrung in schnellen Entscheidungen: mehr als 90 % aller Fälle." Es ist, als hätte Ihr Bauch ein eingebautes Navigationssystem, das Sie durch den Tag lotst, während Sie sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern können - wie den besten Weg zur nächsten Kaffeepause. 

Energie sparen - Nicht nur ein Trend in der modernen Welt

Was uns heute in den Nachrichten als Umwelt- und Energiespartipp begegnet, hat unser Gehirn schon seit Jahrtausenden drauf. Energie sparen war früher überlebenswichtig. Wenn Sie sich das mal vorstellen: Unsere Vorfahren konnten sich nicht einfach eine Pizza bestellen, wenn der Magen knurrte. Jede Kalorie zählte, und das Gehirn wusste das. Da war es ein echter Vorteil, Entscheidungen automatisieren zu können. Denn weniger Denken bedeutet weniger Energieverbrauch - und das war damals überlebenswichtig.

Heute ist es zwar unwahrscheinlich, dass uns ein Säbelzahntiger auflauert, aber das Prinzip bleibt dasselbe. Ob es um das Überleben in der Wildnis geht oder darum, den Arbeitstag zu überstehen - schnelle, automatisierte Entscheidungen sind der Schlüssel. Gerade in Gefahrensituationen, in denen es darauf ankommt, sofort zu reagieren, kann langes Nachdenken fatal sein. Deshalb hat die Evolution unser Gehirn so programmiert, dass es in kritischen Momenten blitzschnell reagiert - eben mit dem Bauchgefühl. 

Automatismen - Unsichtbare Entscheider im Hintergrund

Automatisierte Entscheidungen haben noch eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft: Sie passieren völlig unbewusst. Während Sie sich überlegen, was Sie zum Abendessen kochen sollen, hat Ihr Bauch längst entschieden, dass es Pizza wird - und das, bevor Ihr Kopf überhaupt bemerkt hat, dass er Hunger hat.

Viele dieser Entscheidungen bemerken wir gar nicht. Wir biegen automatisch links ab, wenn wir nach Hause fahren, ohne darüber nachzudenken. Und selbst wenn wir eine Entscheidung bewusst wahrnehmen, wie die Wahl eines Mitarbeiters, ist das Bauchgefühl oft schon eine Nasenlänge voraus. Manchmal sind wir uns sicher, dass wir uns schon entschieden haben, aber warum, das können wir nicht genau erklären. Wir denken dann zwar, dass wir eine rationale Entscheidung getroffen haben, aber in Wirklichkeit hat unser Bauchgefühl die Arbeit schon erledigt.

Unser Gehirn liebt es, Entscheidungsprozesse zu standardisieren und zu automatisieren. Das spart Energie, Zeit und vor allem mentale Kapazität. Deshalb zieht sich unser Bewusstsein immer mehr zurück und überlässt die Routineentscheidungen dem Autopiloten. 

Bewusste Entscheidungen - Wenn der Vorstand übernimmt

Natürlich gibt es Momente, in denen wir die Großhirnrinde, unseren "Vorstand im Kopf", dringend brauchen. Bei wirklich großen, wichtigen Entscheidungen, die unser Leben verändern können, ist sie gefragt. Dann ist es vorbei mit der Bequemlichkeit des Autopiloten. Die Basalganglien dürfen sich zurücklehnen, und das Gehirn startet den vollen Denkprozess. Das ist dann der Moment, in dem wir uns wirklich Zeit nehmen, alle Optionen abwägen und überlegen, was die beste Wahl ist.

Doch je mehr der Entscheidungsprozess automatisiert ist, desto weniger muss der Vorstand eingreifen. Das ist auch gut so, denn sonst wären wir schnell überfordert. Jeder Manager weiß, dass Arbeitsteilung und Delegation die Schlüssel zum Erfolg sind - und genau das macht auch unser Gehirn. Gute Entscheidungen basieren auf einer Mischung aus kognitiven und automatisierten Prozessen, sozusagen einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Kopf und Bauch.

Das Fazit - Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl (aber nicht immer) 

Am Ende des Tages ist es beruhigend zu wissen, dass wir nicht allein auf unseren Verstand angewiesen sind, sondern dass unser Bauch einen Großteil der Arbeit erledigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir unseren Kopf völlig ausschalten sollten. Es geht darum, die richtige Balance zu finden. Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl bei den alltäglichen Entscheidungen - Ihr Gehirn wird es Ihnen danken. Aber wenn es wirklich wichtig wird, wenn die Entscheidungen größer sind als die Wahl des Abendessens, dann sollte der Vorstand im Kopf übernehmen.

Denken Sie daran: Ihr Gehirn ist ein echtes Wunderwerk. Es schafft es, 20.000 Entscheidungen pro Tag zu treffen, ohne dass Sie sich in den Wahnsinn treiben müssen. Die meiste Arbeit übernimmt dabei Ihr Bauchgefühl, und das ist auch gut so. So bleibt Ihnen mehr Energie für die wirklich wichtigen Dinge im Leben - wie den nächsten Kaffee oder die nächste Pizza. Schließlich müssen Sie ja fit bleiben für die nächsten 20.000 Entscheidungen!

Dr. Verena Utikal - Professorin für Verhaltensökonomie 

Wie wir Menschen Entscheidungen treffen, basiert also auf einem sehr gut abgestimmten System. Dennoch stehen wir immer wieder im Leben vor sehr herausfordernden und schwerwiegenden Entscheidungen! Da kann es helfen, sich mit anderen auszutauschen oder Beratung heranzuziehen. Und selbst wenn die passende Entscheidung getroffen wurde, erscheint es manchmal schwer, diese im Alltag umzusetzen - eingefahrene Routinen sind oft sehr stark und behindern die Umsetzung neuer Verhaltensweisen. 

Von Kerstin Blumoser


Lesetipp zu Thema:

Schnelles Denken, Langsames Denken. Siedler Verlag, München, 2012, ISBN 978-3-88680-886-1 

Original: Daniel Kahneman: Thinking, Fast and Slow. Macmillan, 2011, ISBN 978-1-4299-6935-2

 

FamPLUS - Kompetent zu innerer Stärke.

In einem professionellen, neutralen Coaching lassen sich Alternativen aufsuchen, bewerten und eine bestmögliche Lösung finden sowie deren Umsetzung planen. Wir von famPLUS stehen ihnen gerne zur Verfügung. Vereinbaren Sie einfach einen Termin bei uns. Sie können uns unter 089/8099027-00 jederzeit erreichen. 

Neues von famPLUS

Image

20.000 Entscheidungen pro Tag – Ein täglicher Marathon für unser Gehirn

Es ist eine unglaubliche Zahl, die da oft genannt wird: 20.000 Entscheidungen soll jeder Mensch pro Tag treffen. Das klingt nach einem Hirn-Marathon, bei dem es keine Pause gibt, nur dass wir hier nicht um Medaillen laufen, sondern durchs Leben stolpern - manchmal mehr, manchmal weniger elegant.  Aber wie schaffen wir das? Das ist doch eigentlich kaum machbar!

Image

Gleichberechtigte Care-Arbeit: Es gibt noch (viel) zu tun

Wenn Paare Eltern werden, beginnt ein neues Kapitel voller Freude und Herausforderungen. Der Alltag verändert sich drastisch. Die Balance zwischen Erwerbsarbeit und Fürsorgearbeit stellt viele Paare vor große Aufgaben und alte Rollenbilder werden oft unbewusst wiederbelebt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit diesen bietet die Chance für ein gleichberechtigteres, harmonischeres Familienleben.

Image

Regenbogenfamilien: Zwischen Vielfalt und Hürden

Das klassische Familienbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Neben traditionellen Familienmodellen rücken auch Regenbogenfamilien zunehmend in den Fokus. Diese Familienform, bestehend aus gleichgeschlechtlichen Eltern und ihren Kindern, ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Trotz ihrer wachsenden Akzeptanz stehen Regenbogenfamilien im Alltag vor besonderen Herausforderungen und Hürden.