Demenz: Das lange Abschiednehmen und Trauern

Trauer wird oft mit dem Tod einer Person oder einer Trennung assoziiert. Es ist allerdings auch ein treuer Begleiter vieler Angehöriger von Menschen mit Demenz. Doch warum ist das so?

„Trauer ist ein tiefes Gefühl des Verlustes, das auftritt, wenn jemand oder etwas, das einem lieb ist, verloren geht“, sagt Anja Schmidt-Ott, Trauerbegleiterin in Wuppertal. In der Welt der Demenz bedeutet Trauer den Verlust von Person und Persönlichkeit, wie Angehörige sie kannten. Dabei blicken sie zurück auf Vergangenes, aber betrauern auch den gegenwärtigen Verlust und die gemeinsame Zukunft.

Angehörige von Menschen mit Demenz durchleben den Schmerz des Verlustes auch im Alltag. Sie erleben immer wieder aufs Neue, dass Fähigkeiten und Fertigkeiten verschwinden und Routinen und Rituale aufhören. Auch die Beziehung miteinander verändert sich. „Mit der Krankheit geht ein Stück der eigenen Identität verloren, sowie die gemeinsame Geschichte, die einem mit der Person verbindet“, erklärt Anja Schmidt-Ott, die als Familiencoach bei Desideria Care Angehörige von Menschen mit Demenz begleitet.

Trauer bei Demenz – unsichtbar und ungesehen

Doch was macht die Trauer bei Demenz so besonders? Fachleute sprechen von einer "unsichtbaren" oder "ungesehenen" Trauer. „Diese ist unsichtbar, weil sie oft vom Umfeld und auch von den Angehörigen selbst nicht als solche wahrgenommen wird“, sagt die Expertin. Schließlich lebt die "betrauerte" Person noch – und Trauer ist in unserer Vorstellung eng mit dem Tod verknüpft.

Diese Unsichtbarkeit der Trauer macht es für die Angehörigen oftmals schwer. Sie fühlen sich mit ihren aufkommenden Gefühlen alleingelassen, und können sie häufig nicht richtig einordnen oder mitteilen. Eine gewisse Sprachlosigkeit ist die Folge und oft auch das Gefühl der Einsamkeit.

Ein langer Prozess der Trauer mit vielen Gefühlen

Angehörige, die Menschen mit Demenz begleiten, durchleben einen langen Prozess der Abschiede. Immer wieder gilt es, von kleinen und großen Dingen Abschied zu nehmen, von gemeinsamen Routinen und Aktivitäten. Es ist wie ein Labyrinth, in dem man immer wieder durch ähnliche Felder geht: von "Funktionieren" und "Überleben" bis hin zu "Begreifen", "Akzeptieren".

„Fast alle Menschen sind am Anfang der Trauer im Überlebens- und Funktionieren-Modus“, sagt Anja Schmidt-Ott. So auch nach der Diagnose Demenz. Doch im Laufe der Krankheit müssen pflegende Angehörige immer mehr Aufgaben übernehmen, die Pflege organisieren, Arztbesuche koordinieren und ihren Angehörigen begleiten. Im Alltag bleibt meist nur wenig Zeit, um zu trauern und mit den verschiedenen Gefühlen – wie Traurigkeit, Schuld, Scham und Wut – umzugehen.

Gefühlen einen Raum geben

Viele Angehörige unterdrücken die Gefühle, vor allem negativ besetzte wie die Wut. Doch Trauerbegleiterin Anja Schmidt-Ott bewertet sie als normal. Sie sagt: „Die Wut kommt aus der Trauer, aus der Angst, aus der Sorge, der Überforderung und Hilflosigkeit – und was steckt da denn anderes dahinter als Liebe?“ Die Wut sei letztlich ein Ausdruck der Liebe und in gewissem Rahmen ganz normal.

Was können Angehörige also tun? Anja Schmidt-Ott betont die Bedeutung, die eigene Trauer zu akzeptieren. Es sei wichtig anzuerkennen, dass man in einer Ausnahmesituation ist und dass diese viel Kraft und Energie koste. „Es ist hilfreich, sich Auszeiten zu nehmen und sich selbst Gutes zu tun. Auch Trauergruppen und Schulungen können eine Unterstützung sein“, erklärt die Expertin. Diese Gruppen bieten nicht nur Raum, um die Trauer zu bearbeiten, sondern dort lernen Angehörige auch Strategien, um die eigene Resilienz zu stärken.

Besser als intensive Gefühle wegzudrücken ist es, ihnen einen Raum zu geben. „Auf lange Sicht kann das Unterdrücken der Trauer ungesund sein“, sagt Anja Schmidt-Ott. Es sei wie mit einem Tennisball, den man unter Wasser drückt – irgendwann kommt er mit all den unterdrückten Gefühlen wieder an die Oberfläche. „Wenn manche Menschen in ihrer Trauer steckenbleiben, können sich Depressionen entwickeln oder die Trauer auf andere Weise Raum verschaffen“, sagt Trauerbegleiterin.

Gut mit Trauer umgehen

Es gibt verschiedene Wege, mit Trauer umzugehen, und nicht immer sind diese auf lange Frist hilfreich. Gut mit den aufkommenden Gefühlen umgehen, das kann gelingen durch Gespräche, aber auch Bewegung und Sport tun vielen Menschen gut. Es kann helfen, Tagebuch oder ein Journal zu schreiben oder sich künstlerisch auszudrücken, beim Tanzen, Malen, Singen oder Musizieren. Wichtig ist es, dass sie einen Raum bekommen.

Häufig halten Angehörige die eigenen Gefühle auch zurück, um die Menschen mit Demenz nicht zu überfordern. Im Laufe einer Demenzerkrankung verändert sich die Beziehung häufig, und es wird immer schwieriger mit Worten in Verbindung zu bleiben. Angehörige äußern ihre Gefühle nicht, aber Menschen mit Demenz spüren dennoch oft, dass etwas zwischen ihnen steht – und das kann aufwühlen und verunsichern. Nicht umsonst heißt es ja: „Das Herz wird nicht dement.“ Selbst Menschen mit fortgeschrittener Demenz haben ein feines Gespür für Emotionen.

„Die eigenen Emotionen zurückzuhalten kann zu einer wachsenden Distanz in der Beziehung führen“, erklärt Anja Schmidt-Ott. Oft komme es zu einem Teufelskreis, weil die Angehörigen ihre Gefühle weiter zurückhalten, was die Beziehung weiter belastet. Daheim helfe es auch der Person mit Demenz, wenn Angehörige sich über ihre Gefühle klar werden und lernen, mit ihnen umzugehen und einen guten Umgang mit der Trauer finden.

Gemeinsam fällt es leichter

Es ist oft ein langer und schwerer Weg, den Angehörige von Menschen mit Demenz gehen. Dazu gehört auch, immer wieder Abschied zu nehmen. Aber es ist auch ein Weg, den man nicht alleine gehen muss. Trauer ist ein ständiger Begleiter, der mal mehr und mal weniger Raum einnimmt. Doch es ist wichtig zu wissen, dass man mit seinen Gefühlen nicht alleine ist. Gemeinsam fällt es oftmals leichter, so auch beim Trauern. Unterstützung finden Angehörige in Angehörigen- oder Selbsthilfegruppen, Angehörigenschulungen etwa der Alzheimer Gesellschaft, aber auch in Gesprächen mit anderen Angehörigen.

Angehörige können sich auch in der Pflegeberatung, etwa mit den Beratern und Beraterinnen von famPLUS besprechen, welche Unterstützungsmöglichkeiten infrage kommen.

Von Peggy Elfmann


Quellen:

Interview mit Anja Schmitt-Ott https://www.desideria.org/ueber-desideria/unsere-coaches/dr-anja-schmidt-ott

https://alzheimerundwir.com/trauer-anja/

 

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