Demenz oder Depression

Demenz oder Depression?

Demenz und Depression – zwei Krankheiten, von denen viele Menschen im Alter betroffen sind und über die doch viel Unwissen herrscht. Es sind Tabuthemen, über die in der Gesellschaft nicht so gerne gesprochen wird, aus Angst, Scham oder Unwissenheit. Und dabei wäre es wichtig. „Wenn Menschen über einen längeren Zeitraum kognitive Einschränkungen spüren, sollten sie dies abklären lassen“, rät Sabine Tschainer-Zangl, Leiterin des Instituts aufschwungalt (https://www.demenzerisch-lernen.de/). Die Theologin und Psycho-Gerontologin schult seit 30 Jahren Pflegekräfte und Angehörige zu dem Thema Demenz, unter anderem auch für famPlus.

In der Realität passiere jedoch häufig das Gegenteil, so die Expertin „Die Menschen ziehen sich zurück, versuchen ihre Schwierigkeiten zu verstecken und vermeiden es, über darüber zu sprechen. „Dahinter steckt bei vielen auch der Glaube, man könne nichts machen“, sagt Sabine Tschainer-Zangl. „Aber es lässt sich etwas machen. Eine Depression ist gut behandelbar. Primäre Demenz-Ursachen sind zwar nicht heilbar, aber durch verschiedene Strategien lässt sich die Lebensqualität verbessern und der Krankheitsverlauf verlangsamen.“ Damit dies möglich sei, brauche es zunächst eine Diagnose.

Welche Symptome zeigen Menschen mit Demenz und Menschen mit Depressionen? 

Die Veränderungen, die mit einer Demenz oder einer Depression einhergehen, kommen oft schleichend. Genau das macht es oft so schwer, sie überhaupt zu erkennen, für die Betroffenen selbst und für ihre Angehörigen ebenfalls. Viele Menschen warten lange, bis sie zum Arzt gehen und erst, wenn der Leidensdruck hoch ist, fühlen sie sich „krank genug“ und suchen ärztlichen Rat oder werden von ihren Angehörigen zu einem Arzttermin angemeldet.

Viele Demenzerkrankungen zeigen ähnliche Symptome wie eine Depression: die geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab, die Menschen haben Konzentrations- und Orientierungsprobleme, sie ziehen sich zurück und haben Schwierigkeiten ihren Alltag zu bewältigen. Auch der Tag-Nacht-Rhythmus kann verändert sein.

Worin unterscheiden sich Demenz und Depression? 

Für Angehörige ist es nicht leicht zu unterscheiden, ob eine Demenz oder Depression hinter den Auffälligkeiten steckt. „Eine genaue Diagnose kann nur ein Facharzt oder eine Fachärztin stellen“, sagt Sabine Tschainer-Zangl. Es gäbe jedoch ein paar Anhaltspunkte, die Angehörigen helfen zu unterscheiden, ob es sich um eine Demenz oder Depression handeln könnte.

Ein Anhaltspunkt ist der unterschiedliche Antrieb beziehungsweise die Antriebslosigkeit im Tagesverlauf. „Viele Menschen mit Depression haben morgens große Probleme, in die Gänge zu kommen“, erklärt die Expertin. „Vor 13 Uhr aufzustehen, das ist für viele eine große Leistung.“ Im Tagesverlauf nehme die Aktivität häufig zu. Anders bei Menschen mit Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen: „Sie sind morgens fitter, aber im Tagesverlauf nimmt die Konzentrationsfähigkeit und damit auch oft Aktivität und der Antrieb ab“, so Tschainer-Zangl.

Ein zweiter typischer Punkt: „Menschen mit Depressionen nehmen ihre Beschwerden durchaus wahr. Sie neigen oft zur Selbstanklage, weil sie das Gefühl haben, anderen zur Last zu fallen“, erklärt Sabine Tschainer-Zangl. Menschen mit Demenz hingegen zeigen zwar Symptome, sie nehmen diese jedoch selber oft nicht wahr beziehungsweise versuchen sie anfangs zu überspielen. So leugnen sie beispielsweise Fehler oder fragen immer wieder das gleiche, weil sie vergessen haben, dass sie die Frage schon mal gestellt haben.

Was passiert im Körper bei Demenz und Depression?

Auch wenn Demenz und Depression durchaus mit ähnlichen Symptomen einhergehen, so unterscheidet sich ihre Ursache. Demenzerkrankungen wie Alzheimer oder vaskuläre Demenz gehören zu den sogenannten primären Demenzen. Dabei laufen im Körper Prozesse ab, die die Nervenzellen und die Verbindungen zwischen den Nervenzellen zerstören. Der Prozess lässt sich eventuell zwar verlangsamen, aber nicht aufhalten.

Bei einer Depression handelt es sich um sogenannte sekundäre Demenz. „Das bedeutet, dass die kognitiven Beeinträchtigungen durch andere Krankheiten ausgelöst werden“, erklärt die Expertin. Bei einer Depression liegt die Ursache in einer Stoffwechselstörung im Gehirn. Das Gleichgewicht von bestimmten Botenstoffen ist gestört, sodass die Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle nicht mehr so gut weitergegeben werden können. „Der Unterschied zu einer primären Demenz ist jedoch, dass die Nervenzellen an sich nicht zerstört werden. Mit einer Therapie wird die Depression behandelt und die kognitiven Störungen verschwinden“, sagt Sabine Tschainer-Zangl.

Was tun bei Verdacht auf Demenz oder Depression? 

Bei Verdacht auf Demenz oder Depression, ist eine rasche ärztliche Abklärung wichtig. Für beide Krankheiten gilt dabei: Je früher, umso besser. „Eine primäre Demenz kann im Frühstadium mit den vorhandenen Medikamenten eventuell verzögert werden“, sagt Tschainer-Zangl. Eine frühe Diagnose gebe dem Betroffenen Selbstbestimmung, weil er mitentscheiden könne, was er sich für die Pflege und Betreuung wünscht und dies in entsprechenden Vollmachten und Verfügungen festhalten kann.

„Auch bei einer Depression ist eine frühe Diagnose hilfreich. Jede Erkrankung, die länger dauert, wird langwieriger zu behandeln“, erklärt die Expertin. Je früher eine entsprechende Behandlung - häufig eine Kombination aus Psychotherapie und Arzneimitteln - beginnt, umso kürzer ist meist der Verlauf der Krankheit und umso besser die Lebensqualität.

Im Internet kursieren eine Vielzahl an Tests zur Diagnose verschiedener Krankheiten. Auch Online-Tests auf Depressionen sind dabei, sowie die Fragebögen verschiedener neuropsychologischer Demenz-Tests. Sabine Tschainer-Zangl rät davon ab, diese zu Hause mit seinem Angehörigen zu machen. Sie erklärt: „Zum einen braucht es eine professionelle Umgebung und Fachwissen, um diese Untersuchungen korrekt durchzuführen. Zum anderen können Laien die Ergebnisse immer wieder nicht richtig einschätzen.“

Die erste Anlaufstelle ist meist der Hausarzt oder die Hausärztin, die bei Bedarf an die weiteren Fachärzte oder Einrichtungen überweisen. Mitunter kann der Hausarzt schon helfen und eine passende Behandlung in die Wege leiten, etwa Antidepressiva verschreiben.

Wenn Demenz und Depression zusammen auftreten 

Es kann auch passieren, dass Demenz und Depression gemeinsam auftreten. „Besonders betroffen sind Menschen mit Demenz im Frühstadium“, sagt Sabine Tschainer-Zangl. Sie spüren die kognitiven Veränderungen, die Erinnerungslücken und Aussetzer beim Sprechen – und das macht Angst und Sorge. Das kann das Auftreten einer Depression begünstigen.

„Wenn Menschen mit Demenz depressive Symptome zeigen, sollte dies unbedingt behandelt werden, um ihre Lebensqualität zu verbessern“, sagt Tschainer-Zangl. Medikamente seien meist die beste Wahl, sie wirken stimmungsaufhellend. „Psychotherapien hingegen überfordern Menschen mit primärer Demenz häufig. Hier sollte man mit dem Arzt genau Rücksprache halten“, rät die Expertin. Sie empfiehlt auch, auf andere Methoden zu setzen, etwa einen sozialen und aktiven Alltag zu ermöglichen. „Je nach kognitivem Stadium können Menschen mit primärer Demenz krankheitsangemessene Aufgaben erledigen und sollten dies auch tun, denn es stärkt die noch vorhandenen Fähigkeiten und das Selbstwertgefühl.“ Untersuchungen zeigen, dass ein schlechtes Selbstwertgefühl und Einsamkeit das Risiko für eine Depression erhöhen. Studien zeigen ebenfalls: Eine Demenzerkrankung verläuft langsamer und geht mit einer höheren Lebensqualität einher, wenn die Betroffenen sozial eingebunden sind.

Wenn das Pflegen in eine Depression führt 

Im Grunde genommen kann jeder Mensch an einer Depression erkranken. Schwierige Lebenssituationen erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit, eine Depression zu entwickeln. Dazu zählen etwa der Tod einer geliebten Person, eine chronische Erkrankung, aber auch dauerhafte Stress- und Überforderungssituationen. So zeigen beispielsweise Untersuchungen, dass pflegende Angehörige besonders gefährdet sind, an einer Depression zu erkranken.

„Atempausen für pflegende Angehörige sind deshalb essentiell“, sagt Sabine Tschainer-Zangl. In ihren Vorträgen gibt sie dem Thema Selbstfürsorge viel Raum. „Viele Angehörige denken, dass sie die Pflege und Betreuung eines Menschen mit Demenz alleine schaffen. Aber einen Menschen zu pflegen, das ist wie ein Marathon. Man braucht Unterstützung, um nicht selber krank zu werden“, sagt die Expertin. Sie rät dazu, sich frühzeitig, Hilfe und Unterstützung zu organisieren, Pflegeberatungen zu nutzen und ein Pflege-Netzwerk aufzubauen. Den Pflegenden gibt sie immer auf den Weg: „Sie können sich nur um einen anderen Menschen gut kümmern, wenn es Ihnen gut geht.“

Hier finden Sie Rat:

famPLUS Pflegeberatung. info@famplus.de oder 089-809902700


Quellen:

https://www.demenzerisch-lernen.de/

https://www.wegweiser-demenz.de/wwd/medizinisches/behandlung/demenz-und-depression

https://www.wegweiser-demenz.de/wwd/alltag-und-pflege/alltagssituationen/demenz-und-suizidgedanken-226292

https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/wo-finde-ich-hilfe/info-telefon

https://www.dzne.de/aktuelles/pressemitteilungen/presse/soziale-kontakte-staerken-demenzkranke-und-koennen-krankheitsverlaeufe-verbessern/

„Depression: Verstehen und achtsam begleiten“, Peggy Elfmann, Apotheken Umschau

 

famPLUS - Kompetent im Pflegealltag

Wir beraten Sie individuell rund um das Thema Pflege und Vorsorge sowie zur Organisation der Versorgung in Ihrer Region. Sie können uns unter 089/8099027-00 jederzeit erreichen. Unsere Beratung steht allen Mitarbeitern unserer Kooperationspartner zur Verfügung.

Neues von famPLUS

Image

20.000 Entscheidungen pro Tag – Ein täglicher Marathon für unser Gehirn

Es ist eine unglaubliche Zahl, die da oft genannt wird: 20.000 Entscheidungen soll jeder Mensch pro Tag treffen. Das klingt nach einem Hirn-Marathon, bei dem es keine Pause gibt, nur dass wir hier nicht um Medaillen laufen, sondern durchs Leben stolpern - manchmal mehr, manchmal weniger elegant.  Aber wie schaffen wir das? Das ist doch eigentlich kaum machbar!

Image

Gleichberechtigte Care-Arbeit: Es gibt noch (viel) zu tun

Wenn Paare Eltern werden, beginnt ein neues Kapitel voller Freude und Herausforderungen. Der Alltag verändert sich drastisch. Die Balance zwischen Erwerbsarbeit und Fürsorgearbeit stellt viele Paare vor große Aufgaben und alte Rollenbilder werden oft unbewusst wiederbelebt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit diesen bietet die Chance für ein gleichberechtigteres, harmonischeres Familienleben.

Image

Regenbogenfamilien: Zwischen Vielfalt und Hürden

Das klassische Familienbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Neben traditionellen Familienmodellen rücken auch Regenbogenfamilien zunehmend in den Fokus. Diese Familienform, bestehend aus gleichgeschlechtlichen Eltern und ihren Kindern, ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Trotz ihrer wachsenden Akzeptanz stehen Regenbogenfamilien im Alltag vor besonderen Herausforderungen und Hürden.