„Silver Gamer“: Im Alter zocken – UND rocken?
Spielen: Das bedeutet Spaß, Leichtigkeit und häufig auch Geselligkeit. Das Spielen an sich ist außerdem eine angeborene und natürliche Art von uns Menschen, sich das Leben zu erklären, zu erschließen und zu genießen. Kinder leben es uns Tag für Tag vor und lieben es, sich spielerisch durch die Welt zu bewegen. Somit ist das Spielen also eigentlich etwas Gutes. Doch was ist mit Computerspielen? Aus der Forschung wissen wir, dass zu viel Zeit vor dem Bildschirm gesundheitsschädlich sein und in eine nennenswerte Abwärtsspirale führen kann. Die gesundheitlichen Folgen predigen wir auch immer wieder unseren Kindern, wenn wir das Gefühl haben, dass sie zu viel Zeit vor der Spielkonsole und digitalen Endgeräten verbringen.
Aber sind es nur die jungen Menschen? Eine repräsentative Forsa-Umfrage zeigte ein erstaunliches Ergebnis: Tatsächlich zocken über 50-Jährige im Durchschnitt um einiges mehr als beispielsweise jugendliche Gamer. Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) veröffentlichte als Auftraggeber dieser Umfrage die genauen Zahlen: Täglich spielen 23 Prozent der 50-69-Jährigen am PC, Fernseher, Tablet oder Smartphone. In der Altersgruppe der 16-29-Jährigen sind es lediglich rund 15 Prozent, die täglich spielen.
„Silver Gamer“ werden sie genannt – die Spielerinnen und Spieler über 50, die so leidenschaftlich in die Welt der Video-Spiele eintauchen. Und bevor wir auf die Gründe, die Folgen sowie auf die Vor- und Nachteile des Zockens eingehen, muss man sich eines vor Augen führen: Die Generation der über 50-Jährigen hat die Geburtsstunde der PC-Spiele live miterlebt. Sie waren die Pioniere auf diesem Feld. Bei allen Gründen, die für das exzessive Spielen also verantwortlich sein könnten, darf man die Emotionalität nicht vergessen: Hier entdeckt eine Generation ihre Leidenschaft der Jugend neu – eine Faszination, die möglicherweise durch nichts zu toppen ist.
Was sind die Gründe für das häufige Videospielen der „Silver Gamer“?
Ältere Menschen haben – ganz generell gesagt – Zeit. Diese verfügbare Zeit will gefüllt werden. Gleichzeitig ist moderne Technik wie Computer, Smartphones und Tablets selbst in Seniorenhaushalten keine Seltenheit mehr. Games sind häufig nicht nur als Spiel für die Konsole, sondern als App ganz einfach downloadbar und somit unmittelbar verfügbar. So kommt eins zum anderen – plötzlich geht eine bunte, schillernde Welt der Videogames auf. Und die ist verlockend.
Nun greifen unter Umständen nicht nur unterhaltende Faktoren, sondern es wird auch ein gewisses Suchtpotenzial aktiviert. Wer bislang noch kein Nummer-1-Hobby hat, findet in Videospielen eine willkommene Beschäftigung. Sie hilft über Einsamkeit und Langeweile hinweg und reizt mit Adventure und Herausforderung. Alles schön und gut. Solange es im Rahmen bleibt.
Die Folgen des übermäßigen Spielens
Die Corona-Krise hat das Spielen in der älteren Generation deutlich verstärkt. Und so ist ein gefährlicher Trend zu beobachten: Es werden immer Menschen, die im Alter „daddeln“ und sich einer Art Suchtspirale hingeben. Die Folgen können sein:
- Kontrollverlust über die Dauer des Spielens
- Konzentrationsstörungen, die vor allem abseits des Bildschirms zutage treten
- Vernachlässigung anderer bestehender Aufgaben und Verpflichtungen
- Verstimmungen und aggressives Potenzial
- Soziale Isolation und Vernachlässigung bestehender Beziehungen zu Freunden, Familie und Arbeitskolleg*innen
- Kommt kostenpflichtiges Spielen hinzu, drohen außerdem finanzielle Probleme
Die Vorteile des Silver-Gamings
Diese möglichen Folgen sind gleichzeitig auch die Nachteile übermäßigen Spielekonsums. Doch es gibt auch vielfältige Vorteile und Mehrwerte, die das Gamen unter Älteren zu einer echten Chance machen.
1. Austausch zwischen den Generationen
Spannend ist doch, dass sich die älteren Mitspieler sehr interessiert gegenüber den digitalen Spielmöglichkeiten zeigen – und bei Rollen-, Shooter- und Strategiespielen auch mit jüngeren Mitspielern in Kontakt treten. Besonders bemerkenswert: Mit ein bisschen Hilfe und Anleitung erfreuen sich viele Ü-50-Gamer durchaus, in die Welt ihrer Enkel eingeführt zu werden und daran teilhaben zu können. So organisierte die Stiftung Digitale Chancen auf dem Höhepunkt des „Pokémon GO“-Hypes eine Informationsveranstaltung für Senioren – mit großem Erfolg. Die Teilnehmer waren sichtlich angetan und wollten im Anschluss das Spiel selbst ausprobieren. Hier entstehen also Brücken zwischen den Generationen.
2. Steigerung der Hirnleistung
Ein Vorurteil ist, dass das Computerspielen per se Kopf und Körper einfach nur matt, stumpf und müde machen würde. Das zeigen Studien des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. So ließ man im ersten Schritt junge Erwachsene zwei Monate lang täglich 30 Minuten „Super Mario 64“ spielen. Die Wissenschaftler entdeckten bei den spielenden Probanden ein Wachstum in jeweiligen Hirnarealen, die für räumliches Denken, Erinnerungsbildung, feinmotorische Fähigkeiten und strategische Planung zuständig sind. Die Gamer waren demnach konzentrierter und konnten sich schneller entscheiden. Tatsächlich zeigten sich auch bei Senioren ähnlich positive Effekte.
3. Therapeutische Effekte
Die Kenntnisse über die positiven Auswirkungen des Spielens am Bildschirm haben viele Start-ups motiviert, sich genauso diese Mehrwerte zunutze zu machen – und ganz gezielt Spiele für die gesundheitliche Prävention und das Training älterer Menschen zu entwickeln. Sie heißen: „Health Games“ und ihre Investoren sind teilweise unsere Krankenkassen. Diese Spiele sind für Computer, Smartphones und Tablets geeignet und reichen von geistigen Trainings wie Memory, Scrabble, Sodoku und Puzzles zu Mobility-Übungen wie Gleichgewichthalten, Werfen und Rotieren. Das Thema hat großes gesundheitliches Potenzial und hilft bei der Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen wie beispielsweise Demenz. So werden die sogenannten „DiPas“ (Digitale Pflegeanwendungen) bereits im Care-Sektor eingesetzt. In unserem Artikel haben wir ausführlicher darüber berichtet.
Fazit: Auch das Zocken kann rocken!
Die „Silver Gamer“ sind ein Phänomen unserer heutigen Gesellschaft. Sie toppen beim Spielen locker den Konsum, den wir von jüngeren Menschen kennen und haben darüber hinaus teilweise auch die Zeit, sich in verschiedenen Arten von Spielen zu vertiefen und zu verlieren. Während hier häufig mittelfristige Gefahren wie Isolation, Realitätsverlust und Verstimmungen gesehen werden, birgt das Thema aber auch viele Chancen. Es kann genauso die Konzentration, Kognition und Mobilität fördern und darüber hinaus Menschen zusammenbringen. Beide Seiten sollten Beachtung finden.
von Jana Lorenz
Quellen
Computerspiele: Jeder Vierte über 50 daddelt fast täglich – Corona verschärft Lage. (27.08.2020). Abgerufen am 02. Januar 2023
Silver-Gamer: Computerspiele bei Älteren beliebter. (27.08.2020). Abgerufen am 28. Dezember 2022
Grüling, Birk: Videospiele im Alter: Warum immer mehr Senioren spielen. (o. D.). Abgerufen am 28. Dezember 2022