Mental Load: Wie ausgeglichene Arbeitsteilung in der Familie funktionieren kann
Neben den offensichtlichen Aufgaben im Familienalltag gibt es viele „unsichtbare“ To-do’s zu erledigen — eine Verantwortung, die überwiegend Mütter übernehmen und durch die zusätzliche Belastungen entstehen können. Wie man diesem „Mental Load“ entgegenwirken kann, erfahren Sie hier.
Was ist „Mental Load“?
Obwohl in der Regel in einem Familiensystem zwei Elternteile mitwirken — Alleinerziehende ausgenommen — hat in vielen Familien ein Elternteil mehr zu tun als der andere. Er denkt an alles, was abseits der „sichtbaren“ Aufgaben im Alltag für die Familie und die Kinder wichtig ist: Welche Arzttermine stehen an? Braucht das Kind neue Schuhe? Was wird in der Kita benötigt? Welche Geschenke gibt es zum Geburtstag? Und was soll es eigentlich am Wochenende zu essen geben? Viele dieser Aufgaben bleiben hinter klar definierten Alltagsdingen verborgen und werden deshalb oft nicht bewusst als Aufwand wahrgenommen. Genau hier kann Gefahr lauern, denn ständig an diese Dinge denken zu müssen kann sich auf Dauer zu einer starken Belastung, einem sogenannten „Mental Load“ entwickeln.
Der Begriff „Mental Load“ umfasst zwei Aspekte, die bei den „verborgenen“ To-do’s eine Rolle spielen, das „Mentale“ — immer an alles denken zu müssen — und der „Load“ — das Gefühl der Verantwortung, selbst für die Erledigung von Aufgaben zuständig zu sein und sich darum kümmern zu müssen. Dieser mentale Stress, dem sich ein Elternteil oft über längere Zeit zusätzlich zu den eigentlichen Alltagstätigkeiten aussetzt, führt nicht selten zu einer permanenten Überbelastung, die burnoutähnliche Symptome aufweisen kann: Körperliche Schmerzen, Schlappheit, Ausgelaugtheit, emotionale Instabilität und Antriebslosigkeit können die Folgen sein. „Mental Load“ ist ein Problem, das nicht nur den Elternteil selbst betrifft, auch die Beziehung zu Partner und Kind kann darunter leiden, denn oft wissen Eltern nicht, wie sie mit dieser Überbelastung umgehen können.
Warum vor allem Mütter betroffen sind?
Das Thema „Mental Load“ ist nicht neu, hat aber besonders in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da es heutzutage selten eine „klassische“ Rollenverteilung in Familien gibt. Zwar leben wir in einer modernen Zeit, in der Väter und Mütter einerseits in vielen Aspekten gleichgestellt sind, andererseits liegt ein Großteil der Organisation und der „unbezahlten“ Arbeit immer noch überwiegend bei den Müttern. Doch woran liegt das? Die Aufgabenverteilung in der Familie folgt heute zwar oft noch einem eher traditionellen Rollenmodell — während der Mann Vollzeit arbeitet, kümmert sich die Frau um den Haushalt und die Kinder — doch der Unterschied besteht darin, dass viele Frauen inzwischen nach der Geburt des Kindes ebenfalls wieder arbeiten möchten und deshalb oft schon kurz darauf wieder in den Beruf einsteigen. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass die Aufgaben zu Hause entsprechend anders verteilt werden müssten, und so kommt es häufig vor, dass Mütter in diesem Sinne „für zwei arbeiten“.
Bereits in der Elternzeit kann der „Mental Load“ seinen Ursprung haben: Mütter nehmen nicht selten den Großteil der verfügbaren Elternzeit und sind dadurch mit den meisten Tätigkeiten und Aufgaben in Bezug auf Haushalt und Kind schon viel vertrauter. Väter hingegen nehmen meistens weniger Elternzeit, diese oft auch noch parallel zur Elternzeit der Mütter, sodass sie eher selten auf sich alleine gestellt sind. Diese anfängliche Ungleichverteilung kann sich nach der Elternzeit fortsetzen, sodass Mütter sich, auch wenn sie schon längst wieder im Berufsleben sind, für alle Aufgaben und Pflichten rund um Kind und Haushalt weiterhin zuständig fühlen. Weitere Gründe dafür, dass eine mentale Überbelastung überwiegend bei Müttern vorkommt, können einerseits das in der eigenen Erziehung erlebte Rollenmuster der Eltern sein, andererseits möglicherweise auch die eigene Neigung zum Perfektionismus. Das heißt, dass Sie als Mutter möchten, dass alles perfekt geregelt ist, und dann die Dinge lieber selber übernehmen, anstatt sie abzugeben, um die Kontrolle zu behalten.
Wie kann man „Mental Load“ entgegenwirken?
Mütter werden eine Überbelastung nur schwer wieder los, insbesondere dann, wenn sie sich über Jahre hinweg aufgebaut hat. Die gute Nachricht ist: Es gibt einige Tipps und eine gute Strategie, wie Sie den „Mental Load“ in den Griff bekommen können.
Schritt eins: Unsichtbares sichtbar machen
Zunächst einmal müssen Sie das Ausmaß Ihrer Überbelastung herausfinden, um im Anschluss eine entsprechende Strategie entwickeln zu können. Schreiben Sie hierfür zusammen als Elternpaar einmal auf, welche Aufgaben es momentan in Ihrem Alltag gibt. Versuchen Sie, besonders die weniger offensichtlichen Aufgaben mit einzubeziehen, wie zum Beispiel Bad putzen, Wäsche waschen, einkaufen fahren, Essen kochen, Arzttermine ausmachen, Elternabende besuchen, Rasen mähen, Betten beziehen, Schuhe kaufen gehen etc. Sie werden feststellen, dass es zahlreiche dieser „unsichtbaren“ To-do’s gibt, die mehr oder weniger automatisch nebenbei erledigt werden. Auch Bereiche wie Partnerbeziehung, Hygiene, Geburtstage und Familienfeiern, Schul- oder Kita Angelegenheiten müssen aufgeschrieben werden. Weitere Anregungen finden Sie hier.
Schritt zwei: Wer macht was?
Sind Sie der Meinung, dass Sie alle Aufgaben möglichst vollständig erfasst haben, schreiben Sie im nächsten Schritt einmal jeder für sich hinter die einzelnen Punkte, wer welche Aufgaben übernimmt — oder zumindest den größten Teil davon — und wie viel Zeit Sie ungefähr in der Woche dafür aufwenden. Rechnen Sie im Anschluss alles zusammen und schauen Sie, wer wie viele Aufgaben und investierte Zeit auf dem Papier hat. Überprüfen Sie auch, inwieweit beide Wahrnehmungen übereinstimmen, denn diese können manchmal zwischen den Partnern sehr unterschiedlich sein. Wenn Sie starke Abweichungen bemerken, sprechen Sie miteinander über einige der Punkte, in denen Ihre Meinungen zur Arbeitsverteilung auseinandergehen. Manchmal wird dabei bereits deutlich, warum es ein Ungleichverhältnis gibt.
Schritt drei - Umstrukturierung
Der letzte und wichtigste Schritt, um den „Mental Load“ in den Griff zu bekommen, heißt Umstrukturierung. Hier gilt es, gemeinsam zu überlegen, wie Sie die Aufgaben besser aufteilen können. Versuchen Sie nun für die Aufgaben, die Sie gesammelt haben, einen neuen Plan zu erstellen. Nicht immer lässt sich alles genau zur Hälfte aufteilen, aber zumindest größtenteils. Wichtig: Jeder übernimmt nach Möglichkeit alle Phasen einer Aufgabe. Geht es zum Beispiel um den Besuch einer Geburtstagsparty Ihres Kindes, werden auch der Einkauf des Geschenks, das Informieren der Eltern und die Fahrt dorthin übernommen. Vielleicht wird für eine Aufgabe die Hilfe des anderen Elternteils benötigt, in jedem Fall sollte aber klar sein, wer von Ihnen die Verantwortung für die Durchführung hat.
Diese Klärungsphase braucht Zeit und kann unter Umständen sogar mehrere Monate dauern, wenn Sie erst einmal ein Gefühl für den Zeitaufwand bekommen müssen und sich nicht gleich in allen Punkten einig sind. Doch auch wenn es mühsam scheint, versuchen Sie in jedem Fall, eine regelmäßige Planung zu machen, zum Beispiel einmal in der Woche oder alle zwei Wochen. Dabei müssen nicht immer alle Aufgaben neu verteilt werden, wenn Ihr Plan gut funktioniert, aber Sie sollten sich regelmäßig Zeit und Gelegenheit nehmen, zu reflektieren und darüber zu sprechen, was gut läuft und wo noch Handlungsbedarf besteht. Besonders bei weniger beliebten Aufgaben können Sie sich immer mal abwechseln, sodass sozusagen „das Leid geteilt wird“ und sich niemand benachteiligt fühlt. Sie müssen auch nicht alle Aufgaben strikt unter sich aufteilen, denn manchmal kann es sogar mehr Spaß machen, zusammen einzukaufen oder aufzuräumen. Setzen Sie außerdem Prioritäten: Was muss wirklich erledigt werden und was ist Ihnen persönlich wichtig? Vielleicht tauchen dadurch To-do’s auf, die Sie getrost von der Liste streichen können oder die Sie weniger oft erledigen müssen, als Sie es bisher getan haben.
Viele Wege führen nach Rom
Die wahrscheinlich größte Herausforderung, der Sie während des Veränderungsprozesses begegnen werden, ist das Loslassen alter Gewohnheiten. Seien Sie offen für Veränderungen und betrachten Sie sie als etwas Positives. Denn vergessen Sie nicht: Es gibt einen Grund, warum Sie etwas ändern wollen oder müssen, und dabei führt nicht nur ein Weg zum Ziel.
Um Belastung zu reduzieren, müssen Sie außerdem lernen, Verantwortung abzugeben und möglicherweise Ihren eigenen Perfektionismus ein Stück weit loszulassen. Kontrollieren Sie Ihren Partner nicht bei der Erledigung seiner Aufgaben und haben Sie Vertrauen, dass jeder seinen Part erledigen wird, denn ein Teil der mentalen Belastung besteht auch darin, permanent für andere mittdenken zu wollen. Etwaige Probleme können immer noch spätestens bei der nächsten Planung besprochen werden.
Gleichzeitig haben Sie auch die Gelegenheit, Ihre eigenen Vorstellungen zu hinterfragen: Muss es immer der selbstgebackene Kuchen zum Geburtstag sein, weil Sie sich Gedanken machen, was andere über Sie denken? Dann versuchen Sie, weniger darüber nachzudenken, was andere von Ihnen halten könnten, denn Ihr Umfeld achtet oft gar nicht so sehr darauf, wie Sie vielleicht meinen. Vielleicht sagen Sie auch immer zu, wenn Sie um etwas gebeten werden? Dann versuchen Sie, auch ruhig mal Nein zu sagen. Es ist nicht so schwer, wie Sie vielleicht glauben!
Lassen Sie sich Zeit
Natürlich kann es bei einer solchen Umstrukturierung zu Diskussionen und Auseinandersetzungen kommen, denn oft leidet ein Elternteil mehr darunter als der andere, aber es gibt einen Grund, wieso Sie überhaupt erst in diese Situation geraten sind. In diesem Fall sollten Sie abwägen, ob Sie als Elternteil die Überbelastung zugunsten von Streitvermeidung wirklich länger in Kauf nehmen können. Der wichtigste Punkt ist auch hier wieder die richtige Kommunikation. Reden Sie offen mit Ihrem Partner, aber machen Sie sich keine gegenseitigen Vorwürfe, sondern teilen Sie erst einmal nur Ihre Gedanken mit. Finden Sie heraus, was die Ursache des „Mental Loads“ sein könnte und gestehen Sie sich dabei auch eigene Fehler ein.
Erwarten Sie nicht, dass gleich am Anfang alles perfekt läuft, denn Sie durchlaufen einen Prozess, der sich erst entwickeln muss und bei dem auch mal etwas schiefgehen kann. Wie bei vielen Dingen braucht es Zeit, bis etwas zur Gewohnheit wird und Sie sich neu aufeinander eingestellt haben, doch es lohnt sich. Denken Sie immer wieder daran, warum sich „Mental Load“ bei Ihnen überhaupt erst entwickelt hat. Pläne zu erstellen und Alltagspflichten zu besprechen mag auf den ersten Blick langweilig wirken, doch es kann der Beziehung und auch den Kindern langfristig sehr zugute kommen, denn wenn Sie glücklicher, erholter und besser gelaunt sind, dann wirkt sich das auf jeden Fall positiv auf die ganze Familie aus.
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