Pandemie und Kinderpsyche: So geht es unseren Jüngsten und das können Sie jetzt für sie tun

Pandemie und Kinderpsyche: So geht es unseren Jüngsten und das können Sie jetzt für sie tun

 

Ein Jahr nach dem ersten Lockdown ist klar, was viele schon lange befürchtet haben: die Corona-Pandemie hat massive Auswirkungen auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen. Fast jedes dritte Kind zeigt Auffälligkeiten. Das belegt unter anderem eine großangelegte Studie aus Hamburg. Inwiefern die vielfältigen Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens im Zuge der Corona-Maßnahmen die Kinder und Jugendlichen belasten und was Sie als Eltern in diesen Zeiten tun können, um ihnen Halt zu geben, erfahren Sie hier.  

Schon im April 2020 äußerte die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. große Sorgen: „Die beschlossenen Maßnahmen greifen tief in die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen ein. Die Schließung von Kindertagesstätten, Kinderspielplätzen, Schulen und Sportstätten bedeutet den Entzug wesentlicher Voraussetzungen für eine gesunde körperliche, psychische und soziale Entwicklung.“

 

Deutschlandweite Studie zeigt dramatische Auswirkungen

Welche Folgen dieser Entzug haben sollte, zeigt die erste deutschlandweite repräsentative Studie zu den Auswirkungen und Folgen der Pandemie-Krise auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Die Ergebnisse der sogenannten Copsy-Studie (Corona und Psyche) überraschten selbst die Studienleiterin: „Wir haben mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens in der Krise gerechnet. Dass sie allerdings so deutlich ausfällt, hat auch uns überrascht.“, so Ulrike Ravens-Sieberer.

Schon nach der ersten Befragungsrunde, die im Mai und Juni 2020 stattfand, zeigte sich: 71 Prozent der in der Studie berücksichtigten Kinder und Jugendlichen im Alter von sieben bis 17 Jahren spürten im Zuge der Pandemie seelische Belastungen. Zwei Drittel gaben eine geminderte Lebensqualität und ein geringeres psychisches Wohlbefinden an. Das sind doppelt so viele Kinder und Jugendliche wie vor Beginn der Pandemie.

Auch Sorgen und Ängste haben deutlich zugenommen. Bei 24 Prozent führte dies sogar zu Anzeichen einer Angststörung, im Vergleich zu 15 Prozent vor der Pandemie. Zahlreich und vielfältig sind die psychischen und psychosomatischen Probleme. Sie reichen von stärkerer Gereiztheit, Einschlafproblemen, Bauch- und Kopfschmerzen bis hin zu einem deutlichen Anstieg von Auffälligkeiten wie Hyperaktivität, emotionalen Problemen und Verhaltensproblemen. Unter solchen Auffälligkeiten leidet mittlerweile fast jedes dritte Kind. Vor der Pandemie traf das „nur“ auf jedes Fünfte zu. Als weitere Belastung kommt bei vielen hinzu, dass auch die Stimmung in der Familie als deutlich schlechter empfunden wird.

 

Die Risse werden tiefer

Ein halbes Jahr nach der ersten Befragungsrunde zeigte sich keine Verbesserung. Im Gegenteil: Die Risse in den Seelen der Kinder und Jugendlichen haben sich durch die langanhaltende Belastungsprobe noch einmal vertieft. Das bestätigt die zweite Befragungsrunde der Copsy-Studie im Dezember 2020 und Januar 2021. Demnach stieg die Zahl der Kinder, die sich durch die Pandemie seelisch belastet fühlen, auf 80 Prozent.  Noch immer leidet fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten. Neben einer deutlichen Zunahme von Sorgen und Ängsten im Vergleich zur ersten Befragung haben sich auch psychosomatische Beschwerden und depressive Symptome weiter verstärkt. Letztere zeigen inzwischen auch viele Eltern.

Zudem ist ein wichtiger Schutzfaktor, der „ganz wesentlich für das psychische und physische Wohlbefinden“ sei, so Ravens-Sieberer, für viele Kinder ganz weggebrochen – der Sport.  Zehnmal mehr Kinder als vor der Pandemie und doppelt so viele wie bei der ersten Befragung betreiben inzwischen überhaupt keinen Sport mehr.

Aber auch an den Jüngsten geht die Krise nicht spurlos vorbei, berichtet die Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum, Silvia Schneider, in einem Interview mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Eltern von Kleinkindern beobachten, dass diese emotional labiler sind. Ein Grund dafür: Die häufigen Kita-Schließungen. Denn sie unterbrechen die gewohnten Routinen der Kinder. Zum Teil müssen sie sich wieder komplett neu eingewöhnen, was enormen Stress bedeutet. Als Folge beobachten Eltern, dass Ihre Kinder unruhiger sind, sich schwerer beruhigen lassen und schlechter schlafen. All das verdeutlicht: Sogar die Kleinsten sind durch die Pandemie seelisch belastet.

So alarmierend die Erkenntnisse der Experten auch sind, es gibt einfache Mittel, wie wir als Eltern unsere Kinder gut durch die Krise begleiten können. Denn welchen enormen Einfluss die Familie auf das bleibende Wohlbefinden unserer Kinder hat, zeigen die Ergebnisse von Copsy ebenfalls. Wer „sich in seiner Familie wohl und gut aufgehoben fühlt, wird auch gut durch die Pandemie kommen.“, folgert Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer.

 

Damit Sie und Ihre Kinder von diesen entscheidenden Rahmenbedingungen profitieren können, haben wir im Folgenden hilfreiche Tipps für Sie zusammengestellt:

 

Selbstfürsorge

„Die psychische Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen muss immer im Kontext mit der psychischen Befindlichkeit der Eltern gesehen werden. Geht es den Eltern gut, geht es den Kindern gut und umgekehrt.“ Silvia Schneider

Achten Sie also im Alltag besonders darauf, dass Ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse genauso erfüllt werden, wie die Ihrer Kinder. „Was brauche ich jetzt?“, ist eine Frage, die Sie sich oft stellen dürfen. Selbstfürsorge bedeutet aber auch, sich selbst gegenüber eine freundliche, wohlwollende Haltung zu bewahren. Gönnen Sie sich zudem feste Zeiten für bewusste Entspannung, mit einer Aktivität, die Ihnen persönlich guttut.

 

Eine gute Atmosphäre in der Familie

Gehen Sie zu Hause liebevoll und nachsichtig miteinander um und lassen Sie zu, dass Ihre Kinder ihre Gefühle ausleben können. Wenn sie mal ihren Stress an Ihnen auslassen, bleiben Sie entspannt und nehmen es nicht persönlich. Auch viel miteinander zu sprechen, den Kindern dabei gut zuzuhören und das Gesagte ernst zu nehmen ist sehr zuträglich für das Wohlbefinden aller Familienmitglieder. Natürlich stehen auch Sie selbst unter Stress und können mal aus der Haut fahren. Halb so wild, wenn Sie sich danach aufrichtig entschuldigen. Es tut sicherlich auch allen gut, der Pandemie zu Hause nicht zu viel Platz zu gewähren. Wenden Sie sich stattdessen bewusst auch anderen Themen zu. Was gibt es für positive Nachrichten, die Hoffnung und Zuversicht schenken? Was läuft nach wie vor gut? Zählen Sie am Abend im Familienkreis mindestens fünf Dinge pro Person auf, für die Sie an diesem Tag dankbar sind.

 

Soziale Kontakte pflegen

Mal eben die Freunde besuchen, das geht so seit vielen Monaten nicht mehr. Nähe zu anderen ist aber besonders wichtig für unsere seelischen Abwehrkräfte. Motivieren Sie Ihre Kinder, per Telefon oder Videochat regelmäßig mit den Freunden, den Großeltern etc. zu sprechen. Sie könnten zum Beispiel einen Videokonferenz-Stammtisch mit der Gruppe der besten Freunde gründen, der zwei Mal pro Woche tagt. Auch regelmäßige Treffen draußen mit der besten Freundin zum Spazierengehen sind eine gute Möglichkeit, sich mit genügend physischem Abstand dennoch emotional nahe zu bleiben.

 

Schließen Sie die Lücken

Viele Strukturen sind weggebrochen und haben große Lücken im Alltag und in der Kinderseele hinterlassen. Im Familienrat können Sie zusammen überlegen, wie Sie diese schließen können: Was fehlt, was möchten Ihre Kinder stattdessen tun? Wie wäre es bei Homeschooling zum Beispiel mit einem symbolischen Weg zur Schule durch den Park? Bauen Sie diese neuen Routinen in einen Tagesplan für die gesamte Familie ein, an dem selbstverständlich auch Ihre Kinder mitgearbeitet haben.

 

Raus in die Natur!

Bewegung an der frischen Luft ist eine der einfachsten und gleichzeitig effektivsten Möglichkeiten, nicht nur das seelische, sondern auch das körperliche Wohlbefinden unserer Kinder zu stärken. Versuchen Sie, mindestens eine, besser noch zwei Stunden am Tag mit Ihrer Familie nach draußen zu gehen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer kleinen Radtour zum besten Abenteuerspielplatz: dem Wald in Ihrer Nähe? Aber auch schon Ballspielen im Park kann ein erholsamer Kurzurlaub aus dem Alltag sein.

 

Was tun im Notfall?

Unsere Kinder wachsen in einer Zeit auf, die für ihre seelische Gesundheit sehr belastend sein kann. Aber auch an uns geht die Krise natürlich nicht spurlos vorbei. Wenn Sie spüren, dass Sie an Ihre Grenzen kommen, sich um Ihre Kinder sorgen, oder schlicht Impulse, Hilfe oder ein offenes Ohr benötigen, sind wir für Sie da und freuen uns über Ihren Anruf unter 089 / 80 99 027 00 oder Ihre E-Mail an info@famplus.de.

 

Unter diesem Link finden Sie weitere wertvolle Tipps zur Förderung der psychischen Gesundheit Ihres Kindes: https://www.corona-und-du.info/eltern/

Für akute Krisen oder bei Lebensgefahr können Sie sich an die Telefonberatung der BZgA -Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wenden: 0800-2322783

Auch die Telefonseelsorge ist 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr für jung und alt da:

Per Telefon 0800 / 111 0 111 , 0800 / 111 0 222 oder 116 123, sowie per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de

von Nils Strodtkötter

 

famPLUS - Gemeinsam für Ihr persönliches PLUS! 

Bei Fragen zum Thema „Psychische Belastung von Kindern“ sowie zu allen anderen pädagogischen und finanziellen Themen im Bereich Eltern und Kinder stehen wir von famPLUS jederzeit für ein Beratungsgespräch zur Verfügung und unterstützen Sie. Wir beraten Sie gerne zu Ihrer individuellen Situation unter 089/8099027-00. Unsere Beratung steht allen Mitarbeitern unserer Kooperationspartner zur Verfügung. 

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