Eltern-Kind-Bindung im Wandel: Einsichten für eine gesunde Entwicklung

Die Bindung zwischen Eltern und Kind bildet das Fundament für das Leben eines Kindes und steht heute im Fokus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskussionen. Unser Verständnis von Bindung hat sich dabei über die Jahrzehnte erheblich gewandelt. Klar ist: Eine sichere Bindung ermöglicht es einem Kind, Vertrauen in sich selbst und seine Umwelt zu entwickeln. Diese Sicherheit ermutigt es, seine Umgebung zu erkunden und seine Fähigkeiten zu entfalten. In diesem Beitrag beleuchten wir, was Bindung ausmacht, wie sie gefördert werden kann und werfen einen Blick auf historische Praktiken, die aus heutiger Sicht erstaunlich erscheinen.

Historischer Umgang mit der Eltern-Kind-Bindung

Menschenkinder sind die am meisten entwicklungsbedürftigen Wesen der Erde und stark auf die Nähe, Versorgung und Pflege durch ihre Bezugspersonen angewiesen. Umso befremdlicher erscheint die frühere Haltung, dass körperliche Nähe zwischen Mutter und Kind unnötig oder gar schädlich sei. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es gängige Praxis, Neugeborene direkt nach der Geburt von den Müttern zu trennen und in Säuglingsstationen zu unterbringen. Die Mutter sollte sich über mehrere Wochen erholen, und Besuche des Kindes waren auf ein bis zwei Stunden täglich beschränkt - nur mit Zustimmung der Ärzte. Stillen wurde aus hygienischen Gründen häufig abgeraten.

Heute wissen wir, dass diese Trennung den grundlegenden Bedürfnissen eines Babys widerspricht. Nähe, Körperkontakt und liebevolle Kommunikation sind essenziell, um eine sichere Bindung aufzubauen - die Grundlage für eine gesunde Entwicklung.

Was macht eine sichere Bindung aus? 

Bindung ist die emotionale Verbundenheit der Eltern mit ihrem Kind. Genauer gesagt handelt es sich um ein Verhaltenssystem, das dafür zuständig ist, dass die Hauptpflegeperson beim Kind bleibt und ihm dadurch Schutz und Lernhilfe geben kann.

Eine sichere Bindung ist nicht nur für die frühkindliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung, sondern hat auch langfristige Auswirkungen auf die emotionale Intelligenz und die sozialen Kompetenzen im späteren Leben. Kinder mit sicherer Bindung entwickeln mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Fähigkeit, als Erwachsene stabile Beziehungen aufzubauen und mit Stress und Konflikten souveräner umzugehen. Kinder, die hingegen keine sichere Bindung erleben konnten, haben ein höheres Risiko, Entwicklungsverzögerungen oder sogar -störungen zu entwickeln.

Eine sichere Bindung entsteht durch ein zuverlässiges Reagieren der Bezugspersonen auf die Bedürfnisse des Kindes, vor allem nach Schutz und Nähe. Hierfür braucht es Bezugspersonen, die empathisch auf das Kind reagieren und dessen Perspektive übernehmen können - und eine große Portion Geduld! Zum Glück hat uns die Natur darauf vorbereitet, dass Eltern und Situationen nicht perfekt sind. Studien zeigen, dass bereits ein zugewandtes Reagieren in etwa 70 Prozent der Situationen ausreicht, um eine sichere Bindung zu ermöglichen. Eltern dürfen also darauf vertrauen, dass Kinder viel Resilienz und Anpassungsfähigkeit in sich tragen. Eine sichere Bindung bedeutet auch nicht, dass sich das Kind stets gut fühlt und keine negativen Emotionen hat. Was zählt ist, dass es ein grundlegendes Vertrauen hat, dass es sich in der Not auf die Bezugspersonen verlassen kann.

Bindung ist ein lebenslanger Prozess 

Die Bindung zwischen Eltern und Kind verändert sich mit dem Alter und gestaltet sich entsprechend unterschiedlich. Während ein weinendes Baby eine unmittelbare Reaktion benötigt, kann bei einem Teenager ein klärendes Gespräch auch auf den Abend verschoben werden.

Auch wenn eine sichere Bindung in der frühen Kindheit fehlt, bedeutet dies nicht, dass sie später nicht aufgebaut werden kann. Unterstützende Beziehungen zu anderen Menschen - wie Freundschaften, Partnerschaften oder Erzieher:innen - können kompensierend wirken. Eltern, die ihre eigenen Kindheitserfahrungen reflektieren und aufarbeiten, schaffen oft neue Grundlagen für eine liebevolle Bindung zu ihrem Kind.

Störfaktoren

Folgende Faktoren können die Entwicklung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind stören:

  • Das Fehlen stabiler Bezugspersonen, zum Beispiel bei Heimunterbringung

  • Vernachlässigung emotionaler Bedürfnisse oder Missbrauch

  • Unverarbeitete Kindheitstraumata der Eltern, die die Bindung zu ihrem eigenen Kind beeinträchtigen können.

Eltern können solche Störfaktoren erkennen, indem sie die emotionalen Bedürfnisse ihres Kindes reflektieren. Mit Unterstützung durch Beratung oder Therapie lassen sich belastende Muster oft durchbrechen und neue Bindungserfahrungen schaffen.

Fazit: Bindung bedeutet Vertrauen, nicht Perfektion 

Die Entwicklung einer sicheren Bindung ist keine Frage der Perfektion, sondern ein Prozess, der durch emotionale Verfügbarkeit und Zuwendung geprägt ist. Selbst wenn nicht alles ideal läuft, bleibt die Basis für eine gesunde Bindung bestehen, solange sich das Kind angenommen und geliebt fühlt.

 

Buchtipps:

  • Bindung ohne Burnout (Nora Imlau), Beltz Verlag, 2024

  • Bindung - eine sichere Basis fürs Leben: Das große Elternbuch für die ersten 6 Jahre (Fabienne Becker-Stoll ), Kösel-Verlag, 2018

  • In Bindung wachsen (Marina Hoffmann Julia Wanitschek & Junita Horch), Advent-Verlag, 2022

 

 

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