Zwischen Anspruch und Achtsamkeit: Die Kunst der Balance in Beruf und Familie
In der immer schnelllebigen und komplexer werdenden Arbeitswelt stehen viele Menschen vor der Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen und gleichzeitig den eigenen – häufig sehr hohen - Ansprüchen gerecht zu werden. Alles richtig machen zu wollen kann ein positiver Charakterzug sein, der zu hervorragenden Ergebnissen führt, aber er kann auch eine Kehrseite haben und das Arbeitsleben sowie das Privatleben negativ beeinflussen.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein wichtiges Projekt abgeschlossen und präsentieren stolz Ihr Ergebnis. Doch anstatt Anerkennung zu erhalten, konzentrieren Sie sich nur auf die vermeintlichen Fehler und Unvollkommenheiten. Der Perfektionismus lässt Sie zweifeln, ob Sie gut genug sind, während Ihre Familie und Freunde Ihnen gratulieren und Ihre Leistung bewundern.
Wir möchten uns mit den zwei Seiten des Perfektionismus befassen und Ihnen aufzeigen, wie Sie das Beste aus beiden Welten herausholen können. Erfahren Sie mehr über die Rolle innerer Antreiber und wie sie unser Verhalten beeinflussen. Wir beleuchten persönliche Ressourcen und Resilienz als wichtige Werkzeuge, um mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen.
Zudem erhalten Sie praktische Tipps, wie Sie den Perfektionismus in eine positive Kraft umwandeln und einen ausgewogenen Weg zwischen Erfolg und Wohlbefinden finden können. Entdecken Sie, wie Sie Ihre eigene Balance zwischen Selbstanspruch und Lebensfreude finden können.
Auswirkungen hoher Ansprüche an die eigene Leistung
Dauerhaft hohe Ansprüche und Leistungsbereitschaft im Arbeits- und Privatleben kann erhebliche Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit eines Menschen haben. Die ständige Jagd nach dem Optimum und perfekten Ergebnissen können zu einer Vielzahl von negativen Folgen führen:
1. Erschöpfung: Diesen Ansprüchen gerecht werden zu wollen, erzeugt inneren Druck. Manchmal sehr deutlich wahrnehmbar, manchmal eher subtil, aber dauerhaft. Emotionale, mentale und körperliche Erschöpfung, reduzierte Leistungsfähigkeit oder ein zunehmendes Gefühl von Überforderung bis hin zum Burnout können auftreten.
2. Selbstzweifel: Die ständige Sorge, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, kann zu einer starken inneren Unruhe führen und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Selbstwert ist die subjektive Bewertung der eigenen Wertigkeit, eigener Fähigkeiten und der Bedeutung als Individuum, unabhängig von äußeren Einflüssen und Leistungen. Es beeinflusst maßgeblich das Selbstbewusstsein, die Selbstakzeptanz und das emotionale Wohlbefinden einer Person.
3. Familie und soziales Leben leidet: Menschen mit dem Hang, nur das Optimum zu akzeptieren neigen dazu, sich zurückzuziehen und soziale Aktivitäten zu reduzieren, um all die anderen Dinge erledigen zu können, die für die hoch gesteckten Ansprüche nötig sind. Familie und Freunde müssen öfter zurückstehen. Die hohen Anforderungen können dazu führen, dass Zeit und Energie für die Familie deutlich reduziert werden. Darunter leiden nicht selten familiäre Beziehungen und das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben kann gestört werden. Dies kann zusätzlich zu sozialer Isolation führen und das persönliche Wohlbefinden beeinträchtigen.
4. Selbstfürsorge leidet: Die eigenen Bedürfnisse werden tendenziell eher zurückgestellt, die inneren Ressourcen und Reserven dagegen eher überschätzt. Dauerhafter Stress und Druck haben auch körperliche Auswirkungen, wie zum Beispiel Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und eine geschwächte Immunabwehr. Grund dafür ist die permanente Anstrengung, mental und emotional sowie der anhaltende Leistungsmodus, der Entspannung und Regeneration als notwendige Gegenpole verhindert.
5. Ängste und Sorgen: Die Entwicklung chronischer Ängste und Sorgen kann durch einen überhöhten eigenen Anspruch gefördert werden. Viele Menschen versuchen jedes Tun genau zu optimieren, in dem sie sich viele Gedanken machen oder mit unfreiwilligem Gedankenkreisen und Grübeleien zu tun haben, auch nachts. Manchen ist es wichtig, sich abzusichern, andere oder zögern Entscheidungen hinaus, weil sie keine Fehler machen wollen, wieder andere fürchten zu versagen.
Kurzum: Perfektionistisches Denken und Handeln kann zwar situationsbezogen Abhilfe schaffen, langfristig aber Probleme verstärken.
Erkennen Sie das eine oder andere Symptom?
Die Rolle der inneren Antreiber
Ein Blick auf die sogenannten inneren Antreiber kann hilfreich sein und dazu beitragen, sich wieder in Richtung erfülltes und zufriedenes Leben zu bewegen.
Innere Antreiber sind tief verwurzelte Überzeugungen und Motivationen, die das Verhalten einer Person prägen. Sie entstehen oft früh im Leben und Beeinflussen, wie jemand sich selbst und die Welt um sich herum wahrnimmt. Unser eigenes Streben nach Perfektion und hohem Anspruch hängt oftmals stark mit den inneren Antreibern zusammen, da uns diese einerseits antreiben können, andererseits auch belastend wirken können. Die Antreiber können sich in Form von Gedanken und Überzeugungen äußern, wie beispielsweise:
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“
"Ich will immer alles perfekt machen, sonst bin ich nicht gut genug."
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“
„Wenn ich es nicht tue, tut/kann es ja niemand anderer!“
"Wenn ich keine Überstunden mache, werde ich schlecht bewertet/meinen Job verlieren."
"Ich will immer stark und unabhängig sein, auch wenn es mir schlecht geht."
Solche oder ähnliche Gedanken können zu beständiger Unzufriedenheit führen, denn die so gesteckten Ziele sind auf Dauer nicht ohne eine gewisse Art von Selbstausbeutung erreichbar. Innere Antreiber haben sich in der Regel einfach in unser Leben geschlichen ohne uns um Erlaubnis zu fragen. Diese Glaubensätze gehören meist schon so lange zu unserem gedanklichen Inventar, dass wir sie kaum bemerken, geschweige denn in Frage stellen. Indem wir uns den inneren Antreibern bewusstwerden, können wir sie regelmäßig auf ihren Realitätsgehalt und ihren Beitrag zu unserer Gesundheit zu prüfen. Anstatt sich von ihnen kontrollieren zu lassen, können wir lernen, sie konstruktiv zu nutzen und mit persönlichen Ressourcen und Stärken realistische Ziele zu setzen.
Es hilft, sich der möglichen psychischen und physischen Auswirkungen bewusst zu sein, um genug Motivation zu finden, rechtzeitig gegensteuern zu können. Dies kann durch Selbstreflexion, Selbstfürsorge und die Entwicklung einer realistischen Sichtweise auf sich selbst und seine Ziele geschehen.
Resilienz als Ressource zur Überwindung überhöhter (Selbst-) Ansprüche
Eine wichtige Ressource ist unsere persönliche Resilienz. Resilienz ist ein Bündel an Fähigkeiten, mit denen wir Herausforderungen und Rückschläge so bewältigen können, dass wir dabei keinen Schaden nehmen und gesund bleiben. Die Fähigkeiten, die wir dazu brauchen und die uns das ermöglichen, sind inzwischen recht erforscht und lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Optimismus & ein positives Selbstbild
- Improvisation & Lernbereitschaft
- Akzeptanz & Realitätsbezug
- Lösungsorientierung & Kreativität
- Selbstregulation, effektive Stressbewältigung & Selbstfürsorge
- Selbstvertrauen & Gestaltungskraft
- Wertschätzende Beziehungen, soziale Fähigkeiten & Kooperation
- Zukunftsgestaltung & Visionsentwicklung
Haben Sie Lust auf einen kleinen Test? Gehen Sie die einzelnen Aspekte noch einmal durch und schreiben spontan eine Zahl zwischen 0 und 10 dahinter, wie stark sie sich jeweils selbst einschätzen. Keine Sorge, niemand hat die volle Punktzahl! Jedoch können solche Skalierungen helfen, einen ersten Eindruck zu gewinnen, wo wir stehen, was wir richtig gut draufhaben und womit wir uns selbst noch besser unterstützen könnten. Im Alltag helfen uns ausreichende Resilienzskills enorm, um mit hohem Druck umzugehen und dabei die Balance zu unserem eigenen Wohl zu wahren. Das tolle daran ist: Diese Skills können wir gezielt ausbauen und trainieren.
Praktische Tipps gegen Perfektionismus und innere Antreiber zum anfangen
- Realistische Ziele setzen: Anstatt utopische Ziele zu verfolgen, sollten Sie erreichbare Meilensteine stecken und sich für Fortschritte loben.
- Pausen und Entspannung einplanen: Es ist wichtig, regelmäßige Pausen einzulegen und Entspannungszeiten bewusst einzuplanen. Setzen Sie sich alle paar Stunden einen Timer, der Sie daran erinnert, eine kurze Pause einzulegen. Nutzen Sie diese Zeit, um tief durchzuatmen, sich zu bewegen oder einen kurzen Spaziergang zu machen. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen können dabei helfen, Stress abzubauen und die innere Ruhe wiederzufinden.
- Delegieren und um Hilfe bitten: Manchmal müssen wir akzeptieren, dass wir nicht alles allein erledigen können. Es ist okay, Aufgaben zu delegieren oder um Unterstützung zu bitten, sei es im beruflichen oder familiären Umfeld.
- Gesunde Grenzen setzen: Definieren Sie klare Grenzen zwischen Arbeit und Familie und versuchen Sie, diese einzuhalten. Gönnen Sie sich bewusst Zeit für die Familie und schaffen Sie einen Raum, in dem berufliche Anforderungen nicht dominieren.
- Fehler als Chance sehen: Reflektieren Sie regelmäßig Ihr eigenes Denken und Handeln. Akzeptieren Sie, dass niemand perfekt ist, und gestatten Sie sich selbst, Fehler zu machen. Erlauben Sie sich, menschlich zu sein. Statt sich von Fehlern entmutigen zu lassen, sollten wir sie als Gelegenheit betrachten, zu lernen und zu wachsen.
- Achtsamkeit und Selbstreflexion: Durch Meditation oder Journaling (alltägliches Notizenmachen) können Sie lernen, die eigenen Gefühle und Reaktionen besser zu verstehen und negative Denkmuster zu erkennen.
Haben Sie es bemerkt? Diese Gedanken, die Sie beim Lesen dieser Tipps hatten? Die entweder die Machbarkeit oder den tiefen Nutzen dieser Tipps in Frage stellen? Oder Sie dazu verleitet haben, dass Sie diese Tipps nur überflogen oder gar übersprungen haben?
Die Sache hat nämlich einen Haken: Um all das zu tun, müssten wir uns selbst und unsere eigenen Bedürfnisse ernst nehmen. Ernst nehmen bedeutet: Wir handeln im Laufe des Tages, jeder Woche, jeden Monats so, dass wir unsere Kernbedürfnisse TATsächlich ausreichend erfüllen. Viele der beschriebenen Tipps kennen wir – aber unsere Tage gestalten wir trotzdem anders. Oder besser gesagt: unsere inneren Antreiber gestalten unsere Tage. Und hier beginnt unsere Macht. Denn auch wenn wir unseren inneren Antreibern (noch) hie und da ausgeliefert sind und „einfach nicht anders können“, als „nur noch schnell…“ dies oder jenes zu tun, können wir uns besser kennenlernen, sodass wir klarer sehen, was uns antreibt und wozu wir uns so abstrampeln. Dass es nicht immer leicht ist, das zu bewerkstelligen, ist normal. Aber zum Glück müssen Sie das ja auch nicht. Unterstützung hat viele Facetten und Optionen, ob Freunde oder Coaching, ob Bücher, Podcasts, Webinare oder Workshops – finden Sie, was zu Ihnen passt. Wir sind auf jeden Fall für Sie da.