Wenn die Gefühle Achterbahn fahren — So unterstützen Sie Ihr Kind beim Umgang mit Gefühlen

Wie entwickeln sich Gefühle?

Während des emotionalen Entwicklungsprozesses lernen Kinder zuerst, Gefühle wahrzunehmen, danach diese auszudrücken (Mimik und Gestik), mit ihnen umzugehen oder sie zu regulieren und schließlich auf Gefühle von anderen zu reagieren. Besonders junge Kinder können Gefühle wie Wut oder Traurigkeit anfangs weder selbst regulieren noch bei anderen erkennen. Auch entwickeln sich Gefühle nicht alle gleichzeitig, sondern erst nach und nach. Zu Beginn empfinden Kinder zunächst meist Freude, später kommen Gefühle von Wut, Ärger oder Traurigkeit hinzu. Auch Mitgefühl und Empathie entwickeln sich erst später. Es dauert mehrere Jahre, bis ein Kind mit anderen mitfühlen kann und versteht, welche Gefühle andere Menschen haben oder welche Gefühle sie bei anderen erzeugen.

 

Erst denken, dann handeln

Die Fähigkeit, einen Impuls wie ein Gefühl oder einen Affekt zu kontrollieren — die sogenannte „Impulskontrolle“ — entwickelt sich im Laufe der Kindheit von selbst. Forschungen zeigen, dass die vollständige Entwicklung jedoch erst im Alter von ungefähr 25 Jahren abgeschlossen ist. Eine besonders starke Entwicklung findet dabei im Alter zwischen drei und sieben Jahren statt. Während dieser Zeit entwickeln sich das Ausdrücken von Emotionen, das Emotionswissen und die Emotionsregulation parallel zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Grundsätzlich kann man davon ausgehen: Je jünger das Kind, desto impulsiver ist sein Verhalten, je älter, desto vernünftiger und überlegter reagiert es in verschiedenen Situationen. Es ist also vollkommen normal, dass starke Gefühle wie zum Beispiel Wut oder Traurigkeit im jungen Kindesalter noch nicht gesteuert werden können und auf Eltern unverhältnismäßig intensiv wirken können. Dessen sollten sich Eltern immer bewusst sein, wenn ein Kind zum Beispiel einen starken Wutanfall bekommt oder in Tränen ausbricht, weil es kein Eis bekommt oder einfach nur müde ist.

Die Impulskontrolle ist wichtig für Kinder, um ihre Bedürfnisse mit denen der Außenwelt in Einklang zu bringen. Dadurch können sie sich zum Beispiel in der Schule besser ausdrücken und fokussieren und entwickeln eine höhere Aufnahmefähigkeit. Kinder mit gut entwickelter Impulskontrolle knüpfen oft schneller Freundschaften und fühlen sich in einer Gemeinschaft schneller wohl.

 

Praktische Tipps für Eltern

Eltern spielen eine wichtige Rolle bei der emotionalen Entwicklung eines Kindes. In den ersten beiden Lebensjahren lernt das Kind bereits, Gefühle von Bezugspersonen zu erkennen — beispielsweise die fröhliche Stimme der Mutter — und darauf zu reagieren, zum Beispiel durch ein Lächeln. Eltern sollten daher ein Umfeld bieten können, in dem Kinder ihre eigene Impulskontrolle gut entwickeln können. Eine gute Basis dafür ist eine beständige und liebevolle Beziehung zum Kind und eine bedürfnis- und bindungsorientierte Erziehungshaltung.

Weitere praktische Tipps, wie Eltern die emotionale Entwicklung des Kindes unterstützen können, erfahren Sie hier:

Gefühle benennen und wahrnehmen: Wenn Sie eine Gefühlsäußerung bei Ihrem Kind wahrnehmen, ignorieren Sie es nicht und versuchen Sie, das Gefühl möglichst klar und neutral zu benennen: „Du weinst gerade. Ich sehe, dass du traurig bist.“ Gerade negative Gefühle können auch bei Erwachsenen Unbehagen hervorrufen und wollen tendenziell eher unterdrückt werden, doch jedes Gefühl ist wichtig und sollte zugelassen werden, auch Trauer oder Wut. Damit Kinder verstehen können, wie sie eine Emotion richtig zuordnen, müssen sie aber erst lernen, worum es sich eigentlich handelt. Besonders Kleinkinder können sich aufgrund ihrer Entwicklung schwertun, ihre Gefühle zu äußern. Daher ist es wichtig, als Elternteil das Gefühl zu benennen, zum Beispiel: „Ich sehe, du bist traurig.“ Wenn das Kind schon älter ist, können auch zusätzlich Fragen gestellt werden, zum Beispiel: „Wie fühlst du dich gerade?“ So geben Sie dem Kind die Gelegenheit, zu üben, Gefühle richtig einzuordnen.

Offen mit Gefühlen umgehen: Es gibt keine „falschen“ Gefühle, deshalb sollten Sie nicht versuchen, Ihrem Kind etwas auszureden oder seine Gefühle zu ignorieren. Seien Sie präsent und hören Sie zu, würgen Sie das Gespräch nicht ab und lassen Sie Ihr Kind ausreden, wenn es Redebedarf hat. Dadurch bekommt es die Rückmeldung, dass es in Ordnung und wichtig ist, Gefühle zu zeigen und auch darüber zu sprechen. Benutzen Sie außerdem im Gespräch keine „schlauen Sprüche“ wie „Das ist doch nicht so schlimm“. Manchmal reicht es auch schon, einfach für Ihr Kind da zu sein, es in den Arm zu nehmen und Nähe zu geben, um ihm zu signalisieren, dass es mit seinen Gefühlen nicht alleine ist.

Ruhe bewahren: Zeigen Sie Verständnis für die Situation Ihres Kindes und haben Sie Geduld. Denken Sie immer wieder daran, dass Emotionen komplex sind und überwältigend sein können. Es dauert eine Weile, sie zu verstehen und zu kontrollieren. Bleiben Sie entspannt und gelassen, so gut es geht, insbesondere bei Wutanfällen oder Tränenausbrüchen. Dadurch strahlen Sie eine Atmosphäre aus, in der sich das Kind wieder beruhigen kann und die Situation nicht noch mehr anspannt.

Bedürfnisse erkennen und Regulationsstrategien ausprobieren: Finden Sie gemeinsam heraus, was hinter einem Gefühlsausbruch stecken könnte und was ein geeigneter Weg ist, damit umzugehen. Was möchte das Kind, wenn es traurig oder wütend ist? Vielleicht ist es wirklich traurig, weil es ein Spielzeug nicht bekommen oder ein anderes Kind es im Kindergarten geschubst hat. Möglicherweise hat es aber auch ein bestimmtes Bedürfnis, das es noch nicht anders benennen oder zeigen kann, zum Beispiel Erschöpfung, Hunger oder Bewegungsdrang. Bei starken Emotionen wie Wut können Sie Ihr Kind mit verschiedenen Ansätzen versuchen zu beruhigen, indem Sie beispielsweise zusammen mehrmals tief ein- und ausatmen oder an die frische Luft gehen. Generell kann regelmäßige Bewegung bei der Emotionsbewältigung förderlich sein, denn es baut Stresshormone ab und bietet ein Ventil für verschiedenste Emotionen.

Spielerisch lernen, mit Gefühlen umzugehen: Eine gute Möglichkeit gerade für jüngere Kinder ist es, Gefühle spielerisch zu benennen, etwa durch Gefühlskarten, Bilderbücher oder eine Stimmungsuhr. Dazu wird ein Kreis aus Pappe in vier Felder unterteilt. In diese Felder werden vier verschiedene Gefühle eingetragen, zum Beispiel „glücklich“, „traurig“, „wütend“ oder „ängstlich“. In der Mitte wird ein beweglicher Zeiger befestigt. Kinder können nun damit zeigen, in welcher Stimmung sie sind.

Zeigen Sie Ihre eigenen Gefühle: Auch Eltern müssen nicht perfekt sein. Sie dürfen Emotionen zeigen und Fehler machen, deshalb verbergen Sie Ihre Gefühle vor Ihren Kindern nicht. Eltern haben oft das Gefühl, sie müssten ihren Kindern gegenüber immer stark und gefasst wirken, doch das vermittelt ihnen im schlimmsten Fall genau das falsche Bild, nämlich dass auch sie selbst ihre Emotionen nicht zeigen dürfen. Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass Gefühle menschlich sind und wir sie als eine Art „Steuerruder“ im Leben brauchen.

Impulskontrolle vorleben: Kinder lernen von Erwachsenen in ihrem Umfeld, wie man sich in den unterschiedlichen Lebenssituationen verhält. Bezugspersonen, die sich selbst gut regulieren können, die besonnen, geduldig und vernünftig reagieren, sind ein gutes Vorbild für die eigenen Kinder. Sie schaffen damit eine Atmosphäre, in der das Kind sich die Impulskontrolle abschauen kann und ermöglichen damit eine natürliche Entwicklung dieser Fähigkeit. Im Gegenzug machen es gestresste, ungeduldige, impulsiv-agierende Erwachsene dem Kind schwer, ein anderes Verhalten zu entwickeln.

 

Jedes Kind äußert Gefühle anders und es ist wichtig, jede Situation individuell zu betrachten. Möchten Sie noch mehr praktische Tipps? Dann melden Sie sich gerne für eine persönliche Beratung bei uns. Das Team famPLUS unterstützt Sie in pädagogischen Fragen, kann individuell auf Ihre Familiensituation eingehen und Ihnen altersadäquate Tipps mit an die Hand geben.

von Esther Marake

 

Wut, Frust und Tränen: Das famPLUS-Webinar

Sie möchten noch tiefer in das Thema einsteigen? famPLUS bietet demnächst ein Webinar zum Thema „Wut, Frust und Tränen — praktische Tipps zum Umgang mit Gefühlen bei Kindern und Jugendlichen“ an. Sprechen Sie gern Ihren Arbeitgeber darauf an, dass Sie Interesse hätten, an unserem Webinar teilzunehmen.

 

Bei Fragen rund um die Themen „Umgang mit Gefühlen bei Kindern“, Erziehung und Pädagogik sowie Elternzeit und Elterngeld können Sie sich jederzeit an uns wenden. Wir beraten Sie gerne zu Ihrer individuellen Situation unter 089/8099027-00. Unsere Beratung steht allen Mitarbeitern unserer Kooperationspartner zur Verfügung.

 

Quellen:

„So lernen Kinder, gut mit Gefühlen umzugehen.“ Leben und Erziehen online. Abgerufen am 20.07.2023

5 Tipps zur Impulskontrolle beim Kind. Tina Pichler Blog. Abgerufen am 20.07.2023

Emotionale Entwicklung von Anfang an – Wie lernen Kinder den kompetenten Umgang mit Gefühlen? (Teil 1). Dr. Monika Wertfein auf familienhandbuch.de Abgerufen am 20.07.2023

Emotionale Entwicklung bei Kindern – verstehen, begleiten, fördern. Online auf StarkeKids.com. Abgerufen am 20.07.2023

Further articles

Image

Labour law issues around holidays in times of pandemic

Trixi Hoferichter is a lawyer for labour law and business mediator. Specialises in management conflicts.

Image

Podcast between KKH Health Insurance & famPlus Topic Multiple Sclerosis

In a new joint podcast episode with the KKH, we talk about the disease multiple sclerosis.

Image

famPlus Podcast - Burnout: How does it feel to be "burnt out"?

The term burnout has become more familiar in recent years and people are being diagnosed with it more and more often.