Urlaub von der Pflege
Ans Meer oder in die Berge? Eigentlich eine typische Frage, die sich viele Menschen Jahr für Jahr stellen, um den nächsten Urlaub zu planen. Für pflegende Angehörige hingegen hat sich der Radius meist extrem verkürzt, ans Verreisen wird selten gedacht. Dabei könnte ein Urlaub vielen guttun. „Einen Angehörigen zu pflegen ist durchaus als Teilzeit- oder gar Vollzeitjob zu sehen und Urlaub ist eine Möglichkeit, die Akkus wieder aufzuladen“, sagt Kersten Suckart, famPLUS-Pflegeberaterin aus München.
Im Pflege-Alltag bleibt oft wenig Zeit für eigene Interessen oder Hobbys. „Viele Pflegende sind auf den Angehörigen fokussiert. Die eigenen Bedürfnisse geraten oft in den Hintergrund“, weiß Kersten Suckart. Ein Urlaub sei eine Möglichkeit, gezielt zu entspannen, Freizeitaktivitäten nachzugehen und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. „Das gewohnte Pflege-Setting zu verlassen, kann dazu beitragen, einem Burnout vorzubeugen“, erklärt die famPLUS-Expertin.
Alleine in den Urlaub fahren?
Grundsätzlich gilt es zu klären, ob Sie alleine oder mit dem Pflegebedürftigen verreisen möchten. Kersten Suckart rät, sich über das Ziel des Urlaubs klar zu werden: „Was sind die Erwartungen an den Urlaub? Steht die eigene Erholung im Vordergrund oder geht es um den Pflegebedürftigen?“. Beides lasse sich kaum zusammenbringen.
Wer alleine verreist, kann sich auf sich konzentrieren und wirklich abschalten vom Kümmern und Betreuen. So manch einem fällt das (anfangs) schwer, denn das bedeutet auch, den Angehörigen in dieser Zeit loszulassen und anderen Menschen anzuvertrauen. Nehmen Sie die eigenen Bedenken und Gefühle ernst! Denn wenn Sie mit Schuldgefühlen hadern, sich sorgen oder zweifeln, werden Sie keinen entspannten Urlaub verbringen.
Nicht immer immer reagieren die pflegebedürftige Person oder das Umfeld mit Verständnis. Mitunter werden Vorwürfe laut, man wolle die pflegebedürftige Person abschieben. „Überlegen Sie, wie Sie damit umgehen“, sagt Kersten Suckart. Sie können Ihre Pflegesituation und die dauernde Belastung erklären, nicht jeder wird das jedoch verstehen und nachvollziehen können. Überlegen Sie sich also vorab, wie Sie damit umgehen.
Pflege für den Angehörigen organisieren
Wenn Sie alleine verreisen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, Pflege für Ihren Angehörigen zu nutzen. Als Leistungen der Pflegekasse können Sie die Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege nutzen. Die Verhinderungspflege kann für bis zu sechs Wochen genommen werden, jedoch ist der Betrag auf 1612 Euro begrenzt (gilt für Pflegegrad 2 bis 5). Diese Ersatzpflege kann in einer Einrichtung oder im häuslichen Umfeld stattfinden. Übernehmen Verwandte ersten Grades die Ersatzpflege, zahlt die Pflegekasse maximal das 1,5-fache des Pflegegeldes.
Eine andere Möglichkeit ist es, dass der pflegebedürftige Angehörige während des Urlaubs in einem Pflegeheim versorgt wird. Die Pflegekasse zahlt dazu eine Leistung, die sogenannte Kurzzeitpflege: Die Höhe beträgt bis zu 1774 Euro für bis zu acht Wochen pro Jahr. Genutzt werden kann sie von allen mit Pflegegrad 2 bis 5. Werden Leistungen der Verhinderungspflege beziehungsweise Kurzzeitpflege nicht genutzt, können sie teilweise oder ganz angerechnet werden. Informieren Sie sich immer vorab und lassen sich vom Pflegedienst oder Pflegeheim einen Kostenvoranschlag geben und aufschlüsseln, welche Kosten Sie selber noch übernehmen müssen.
Gemeinsam verreisen: Gut planen
Sie wollen gemeinsam verreisen? Dann sollten Sie gut planen – und das fängt schon bei der Wahl des Reiseziels an. Expertin Kersten Suckart rät, folgende Dinge zu bedenken:
- Bewältige ich die Pflege vor Ort allein oder benötige ich weitere Personen vor Ort?
- Möchte ich alleine reisen oder eine Gruppenangebot mit Gleichbetroffenen?
- Wie mobil ist mein Angehöriger und wieviel Reisezeit kann er meistern?
- Wie belastbar ist der Pflegebedürftige? Wie wichtig ist das häusliche Umfeld und die verlässliche Routine?
- Brauche ich Pflegehilfsmittel oder Hilfsmittel vor Ort (Inkontinenzprodukte, Pflegebett, Transferlift usw.) und wie komme ich an die?
- Gibt es Sprachbarrieren?
In jedem Fall sollten Sie vorab mit dem Haus- und gegebenenfalls Facharzt sprechen und dessen Zustimmung einholen. Erkundigen Sie sich, ob es am Reiseziel ärztliche und pflegerische Unterstützung gibt und wie Sie diese nutzen können. Recherchieren Sie vorab Notfallnummern, sodass Sie sie im Ernstfall sofort zur Hand haben. Auch mit der Pflegeberatung können Sie besprechen, wie Sie Ihren individuellen Urlaub gut planen.
Einen guten Anbieter finden
Wer gemeinsam mit seinem pflegebedürftigen Angehörigen in den Urlaub fahren möchte, sollte seinen Erwartungen möglichst realistisch halten. „In fremder Umgebung tickt jeder Mensch anders. Pflegebedürftige kann die fremde Umgebung schnell überfordern“, sagt Kersten Suckart. Sie empfiehlt, eine zweite vertraute Person mitzunehmen oder vor Ort zu treffen. So könne man das Pflegen und Betreuen auf mehrere Schultern verteilen. Das Tagesprogramm sollte möglichst überschaubar gestaltet und ausreichend Ruhezeiten eingeplant werden.
Eine Alternative sind spezialisierte Reiseunternehmen oder Pflegehotels. Diese sind in der Regel barrierefrei und mit Pflegebetten und Notrufsystemen ausgestattet. Auch die Betreuung durch Pflegekräfte ist oftmals möglich. Auf folgenden Plattformen lassen sich barrierefreie Urlaubsangebote und Reisen für Pflegebedürftige finden:
- Reisemaulwurf https://reisemaulwurf.de/reisen/
- Soziales und Gepflegtes Reisen https://www.sgreisen.de/
- Verein Urlaub und Pflege https://urlaub-und-pflege.de/
- Runa-Reisen https://www.runa-reisen.de/
Wichtig zu wissen: Der Begriff „Pflegehotel“ ist nicht rechtlich geschützt. Erkundigen Sie sich vorab über die Leistungen, Hilfsmittel und Angebote des Hotels. Informieren Sie sich, wie die medizinische und pflegerische Versorgung aussieht. Denn nur, wenn Ihr Angehöriger gut betreut ist, werden Sie sich auch erholen können.
Den Urlaub finanzieren
Und wie lässt sich das ganze finanzieren? Wenn Sie gemeinsam und mit einem anerkannten Anbieter verreisen, können Sie häufig Leistungen der Pflegeversicherung nutzen. Verhinderungspflege, anteilige Kurzzeitpflege sowie Entlastungsleistungen können Sie innerhalb Deutschlands in der Regel problemlos nutzen. Häufig rechnet das Hotel dann direkt mit der Pflegekasse ab.
Falls die pflegebedürftige Person Sachleistungen erhält, so kann dies über einen Pflegedienst abgerechnet werden. Wichtig zu wissen: bei Reisen außerhalb Europas wird dies nicht übernommen. Und: Innerhalb Deutschlands zahlt die Kasse während der Reise nur ein anteiliges Pflegegeld. Lassen Sie sich vorab bei Ihrer Kasse und auch Pflegeberatung dazu beraten.
Schöne Momente sammeln
Gut geplant und unterstützt kann ein gemeinsamer Urlaub für Sie und Ihren Angehörigen eine wohltuende Auszeit vom Alltag sein. Sie können in alten Erinnerungen schwelgen oder schöne, neue Momente sammeln.
Quellen:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/kurzzeitpflege.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/verhinderungspflege.html
https://www.handicapped-reisen.de/